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Aus dem Wüstenschlund der Transamazonica
Reisebericht von Hannelore Gilsenbach über menschliche und ökologische
Hoff-nungen in Brasilien
MARKO FERST
Fuhren sie schon mal in einem Auto, wollten lenken und konnten nicht mehr
die Richtung des Fahrzeugs bestimmen? Prüfen sie, wenn sie losfahren,
ob nicht jemand die Radmuttern gelockert hat, oder andere Manipulationen
an ihrem Fahrzeug ausgeführt wurden, die an der nächsten Ecke
zu einem tödlichen Unfall führen würden?
Herzlich willkommen im Land der schwarzen Schmetterlinge. Es sind die
Ascheflocken von verbranntem brasilianischen Regenwald. Roter Wüstensand
bleibt von der grünen "Weltbibliothek" zurück, von
konzerngesteuerter Geldgier, den goldsuchenden Pistelieros und den Landbebauern,
die alle drei Jahre ein neues Stück Regenwald abbrennen.
Dieses Land bewohnen seit unzähligen Generationen indigene Völker.
Als einst die weißen Eroberer ins Land einfielen und sich festsetzten,
starb millionenfach die ansässige Bevölkerung an den eingeschleppten
Krankheiten der Europäer, gegen die sie keine Abwehrkräfte hatte.
Selbst Zuckerware brachten die neuen Herren mit, die Kinder naschten besonders
gerne, nur eine Beimischung von Arsen überlebt man eben nicht. Unchristliches
Verhalten, insbesondere wenn sie ihre eigenen Traditionen fortführten,
kam den Indigenen besonders teuer zu stehen: Beliebte europäische
Methode der Bestrafung war, das Opfer an zwei Pferde zu binden und sie
in entgegengesetzte Richtung zu hetzen, für die unwegsamen Gelände
im Amazonas wurde dasselbe auch mit Kanus praktiziert. Am Ende stand ein
gigantischer Völkermord. Von den einstmals fünf Millionen Menschen
Urbevölkerung, die es auf dem Gebiet des heutigen Brasilien gab,
sind heute noch ganze 250.000 übrig, rund 200 Völker von einst
1400.
Hannelore Gilsenbachs Reisereport "Hochzeit an der Transamazonica"
nimmt uns mit in dieses Land, macht uns mit den Menschen bekannt und führt
uns in überaus span-nend geschriebener Weise ihr Leben, ihre Freuden
und ihre Sorgen vor Augen. Ins Dorf Marmelo der Tenharim gelangt man über
die 6000 Kilometer lange berüchtigte Sandpiste Transamazonica. Sie
ist eine Versorgungsader für die ökologische Zerstörung
des Regenwaldes. Die völlig geradlinige BR 320 teilte das 350 Seelen
zählende Hauptdorf der Tenharim in zwei Hälften.
Die ursprüngliche Lebensweise der Tenharim war an das Ökosystem
Regenwald per-fekt angepaßt, sie verlangte große Schweifgebiete
und kleine, mobile Gemeinschaften. Die Waldgärten wurden immer wieder
verlegt, um den Tropenboden nicht zu überfordern, aber auch verlassene
Gärten konnten nachgenutzt werden. Seitdem jedoch die brasilianische
Regierung über die FUNAI-Verwaltung die Seßhaftigkeit der Indios
in größeren Dörfern erzwang und ihnen nur noch kleine
Reservate zubilligte, funktionierte diese nachhaltige Lebensweise nicht
mehr. Jagdwild und Fisch wurden knapp, eine andere Wirtschaftsweise erwies
sich als überlebensnotwendig.
Einige Stämme vergaben Rechte für Holzeinschlag sowie Rechte
zum Schürfen nach Gold. Einzelne aus den Gemeinschaften verschafften
sich so einen kurzen, schnellen Gewinn um den Preis einer auf ewig zerstörten
Heimat. Oft wurde aber massiv von der anderen Seite auch nachgeholfen.
Ist der Regenwald einmal abgeholzt, wächst er auf dem wüstenartigen
Boden kaum wieder nach.
Das Projekt UIRAPURU, das Hannelore Gilsenbach mit unterstützt, versucht
den Indios auf verschiedene Weise zu helfen. So wurden mit finanzieller
Unterstützung von Deutschland beispielsweise sechs Brunnen mit Pumpen
installiert, Bäume für die Wiederaufforstung beschafft sowie
Medikamente und andere medizinische Hilfe organisiert. In den Krankenstationen
für die Indios in den fern gelegenen Städten herrschen katastrophale
Zustände, und eine Behandlung, wenn überhaupt, kommt erst nach
Wochen zustande.
Das Projekt unterstützt die Sicherung von Landrechten, versucht Deportationen
und andere Ungerechtigkeiten zu verhindern. Das wird von den Holzeinschlagfirmen
und anderen mächtigen Interessenträgern, die an der Vernutzung
von Brasiliens grüner Lunge bestens verdienen, gar nicht gern gesehen.
Menschen, die sich da als Störfall erweisen, werden in aller Regel
umgebracht. Dieses Schicksal sollte auch Sandrinha und Hubert, die Initiatoren
von UIRAPURU, treffen. Ihr Auto wurde entsprechend präpariert. Ein
erster Unfall ging glimpflich ab. Morddrohungen per Telefon folgten, ein
anderes Mal kappte man die Telefonleitung, erneut manipulierte man am
Wagen. Wegen dieser lebensbedrohlichen Lage entschlossen sie sich, einstweilen
nach Deutschland zu gehen, andere führen ihre Arbeit in Brasilien
fort.
Sandrinha, indianische Schamanin und Ärztin, hatte Hubert aus Deutschland,
der sich für die Interessen der indigenen Völker einsetzt, in
Marmelo in indianischer Tradition geheiratet. Erstmals seit 20 Jahren
fanden dort für zwei Paare die alten Zeremonien statt. Die beiden
Missionarinnen vom "Summer Institute of Linguistics", die seit
langem im Dorf wohnten, verfolgten die Feierlichkeiten wie versteinert,
hatte doch ihr christliches Bekehrungswerk gerade eine empfindliche Schlappe
erlitten. Nicht selten trugen solche Heilsbringer dazu bei, für die
wirtschaftliche Erschließung der Wälder und Ländereien,
die Gebiete "indianerfrei" zu bekommen. Frohe Botschaften kamen
von ihnen auch im Interesse der Erdölgesellschaften: Gulf und Texaco
hätten ihren Segen, um auf indigenem Boden Öl zu fördern.
Wer diese Art von Hilfe nicht so überzeugend findet, kann immerhin
das Projekt UIRAPURU unterstützen.
Hannelore Gilsenbach: Hochzeit an der Transamazonica, Horlemann Verlag,
Bad Honnef, 2000, 184 S., 29,80 DM, ISBN 3-89502-119-9
Spendenkonto des Bundes für Naturvölker: Sparkasse Barnim (BLZ17052000)
Konto 3120004129 (Kennwort: URIAPURU) Informationen unter: www.bund-naturvoelker.de
16.8.2001, ND/ Widerspruch 5/2000 (Originalfassung)
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