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Weichen
für das Jahrhundert der Ökologie stellen
Die Tragekapazität der Ökosphäre wird an immer
mehr Punkten unterminiert
Von Marko Ferst
Die Treibhausfenster schließen sich unaufhaltsam. Von 1990 bis
2011 erhöhte sich global der Kohlendioxidausstoß von 22,6
auf 34 Milliarden Tonnen im Jahr, 50 % Steigerung. Die Be-träge
summieren sich, CO2 bleibt mindestens 100 Jahre aktiv. 400 Teile pro
Million in der Atmosphäre sind überschritten. Szenarien, die
sich daraus ableiten, liegen auf einem Pfad, den die Klimaforschung mit
dem Votum schlimmster Auswirkungen charakterisiert hat. Die arkti-sche
Meereisbedeckung ging im Sommer 2012 erneut auf absolute Rekordwerte
zurück. Bald wird die Arktis eisfrei sein. Schwarz-Gelb jedoch hat
nicht besseres zu tun, als durch chaoti-schen Politikstil, die solare
Energiewende auszubremsen. Wenn man von der kleinen Flug-gastgebühr
absieht, ist nirgendwo politische Initiative erkennbar, die auf eine
konsistente Klimapolitik abzielen könnte. In Peer Steinbrücks
Opus Magnum „Unterm Strich“ kommt Klimapolitik nicht vor,
umweltpolitisch wäre er eine glatte Fehlbesetzung fürs Kanzleramt.
Klimakonferenzen produzieren nichts als heiße Luft in einer Situation,
die als Punkt von dem es keine Rückkehr gibt beschrieben werden
muß. Viele Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien, Indonesien
etc. nehmen Kurs auf den „kleinen Wohlstand“, eine Perspektive
die linkspolitischen Wünschen eher entgegenkommen dürfte. Dieser
rasante Zuwachs an Indu-strie, intensivierter landwirtschaftlicher Nutzung
z.B. durch vermehrten Fleischkonsum, Re-genwaldzerstörung usw. wird
jedoch binnen weniger Jahre enorme weitere Steigerungen an Treibhauspotential
generieren. Und das in einer Zeitspanne, wo es darum ginge hierzulande
die Treibhauslasten um nahezu 100 % zu reduzieren, wenn man dem Klimaforscher
Mojib Latif folgen will. Es ist vorherzusehen, die ökologische Tragekapazität
der Biosphäre wird an allen Ecken und Enden kollabieren.
Die sozialen Wirkungen großregionaler Destabilisierung kann man
am Versiegen des Aral-sees gut studieren. Der kasachische Pen-Präsident
Abdishamil Nurpeissow beschreibt in sei-nem zweiteiligen Roman „Der
sterbende See“ (2006) wie der Fischerei das Wasser entzogen wurde
und am Ende Familien in ganzen LKW-Konvois mit Hab und Gut die Dörfer
verlassen. Zurückgeblieben ist eine Salzwüste, deren feiner
Staub hunderte Kilometer ins Umland getra-gen wird. Die gesundheitliche
Probleme der Menschen sind massiver Natur. So die Folgen einer landwirtschaftlichen
Wachstumsstrategie, bei der die beiden Flüsse, welche den einst
viertgrößten See der Welt mit Wasser speisten, in großem
Stil angezapft wurden. Selbst wenn man sowjetische Akzente in der Wirtschaftskultur
abzieht, scheint mir das wie ein Symbol zu sein, für den Kollaps,
der uns gesamtplanetar mit anderen Akzenten droht.
Selbst die Linke, die aus der stalinistisch geprägten SED hervorgegangen
ist, hatte eigentlich politisch-intellektuell nach der 89er Wende gute
Chancen eine rot-grüne Partei zu werden. Immerhin gab es drei Vordenker,
die aus der SED gekommen waren, wenn auch in Ungnade gefallene. Der Band „Morgen.
Die Industriegesellschaft am Scheideweg“ von Robert Have-mann,
2010 wiederveröffentlicht durch die Ökologische Plattform,
versuchte in einer utopi-schen Reise die Vision eines ökologischen
Kommunismus zu entfalten, vielleicht noch zu stark auf automatisierte
Technik fokussiert, aber klar in der Einsicht, wir müßten
mit einem Zehntel an Infrastruktur und Energie auskommen ungefähr.
Rudolf Bahro markierte letzteren Punkt ganz analog. Sein Werk „Logik
der Rettung“ setzte auf eine grundsätzliche Kehre, die von
unserem Drang nach Nimmersatt nötig wäre. Nicht nur die kapitalistische
Wirtschaftsdy-namik, auch unsere sozialpsychologische Verfaßtheit
spiele eine große Rolle im Kräfteparal-lelogramm zu einer
zukunftsfähigen Ordnung, jenseits neuer tyrannischer Optionen. Unfrei-willig
scheinen davon Ansätze auf in Wolfgang Harichs „Kommunismus
ohne Wachstum“, einem Band, der nicht ganz frei ist von spätstalinistischer
Patina. Das man sich unideologisch das ganze Spektrum ökologischen
Vordenkens in der heutigen Welt kritisch aneignen sollte, sei als selbstverständlich
vorausgesetzt.
Es wird nicht gelingen die Linke für die Auseinandersetzungen im
Jahrhundert der Ökologie politikwirksam aufzustellen, solange diese
Aufgabe nur durch einen kleinen Kreis engagierter Abgeordneter und der
BAG Umwelt, Energie und Verkehr sowie der Ökologischen Plattform
geschieht. Unbestreitbar trugen diese Akteure viel dazu bei, ökologische
Passagen in Wahl-programmen zu verbessern, Konferenzen auszurichten und
auffällig ist auch, einige westliche Verbände zeigen mehr ökologisches
Profil im Wortlaut.
Allerdings wenn rot-rote Regierungspolitik steigende Ausstoßwerte
beim CO2 in Brandenburg verzeichnet, die Pro-Kopf-Emission klimarelevanter
Gase bei 25 Tonnen liegt (Bundesdurch-schnitt 12 t) – bei neuen
Rekorden für Braunkohlestrom durch Vattenfall, CCS-Verpressung trotz
massivem Protest durchzudrücken versucht wurde - ökologisches
Profil sieht anders aus. Das umfassende Nachtflugverbot in Brandenburg
wird nur halbherzig verfolgt, weil ein Volksentscheid droht, überdies
bleibt die Subventionierung der Billigfliegerei, wie sie Frank Welskop
in seinem Flughafenbuch beschreibt, erhalten. Das diskreditiert die ökologische
Kompetenz der Gesamtpartei.
Ob freilich das politische System mit Wahlkampfparteien der ökologischen
Zivilisationskrise gewachsen sein wird, muß bezweifelt werden.
Wir bräuchten in drei, vier politischen Anläu-fen einen kompletten
Umbau hin zu einer ökologischen Ordnung, die mit einem Bruchteil
heutiger Ressourcen und Energien auskommt und müßten unsere
Anzahl auf dem Planeten begrenzen. Welche Gefahren uns abrupte Klimaumbrüche
bescheren könnten, zeigt besonders kenntnisreich Fred Pearce in „Das
Wetter von Morgen. Wenn das Klima zur Bedrohung wird“. Die komplexen
Wechselwirkungen der Ökosysteme beschreibt Tim Flannery in „Wir
Wettermacher“. Die Lektüre könnte sehr hilfreich sein,
um die üblichen umweltpolitischen Sprachschablonen zu untergraben.
Der Autor veröffentlichte den Band „Wege zur ökologischen
Zeitenwende“ (mit Franz Alt und Rudolf Bahro), „Täuschungsmanöver
Atomausstieg“ und zuletzt den Gedichtband „Republik der Falschspieler“.
Disput, Februar 2013
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