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Sozialismus muß solar sein
Tagung gab Anstöße für die Programmdebatte und
solaren Sozialismus
Marko Ferst
Linke ökologische Programmatik thematisierte am Sonnabend eine
Tagung, organisiert von der Ökologischen Plattform bei der LINKEN.
Im vollen Rosa-Luxemburg-Saal in der Berliner Parteizentrale wurde rege
diskutiert über ökologische Leitplanken für Gesellschaft
und Wirtschaft.
Allerorten wird von Energierevolution oder Effizienzrevolution gesprochen,
meinte Thies Gleiss. Beim Jahrhundertthema Ökologie ginge es um
eine Revolution im Handeln, dies sollte sich die Linke zu Herzen nehmen.
Dem Kapitalismus fehle das ökologische Gewissen, er verursacht einen
Prozess der Enteignung und Verschwendung. Eine Milliarde Menschen leiden
an Hunger, drei Milliarden leben an der Armutsgrenze und darunter. Waffenausgaben
dagegen erreichen astronomische Summen. Eine Wiederaneignung des Eigentums
müsse stattfinden, radikale Arbeitszeitverkürzung. Ob freilich
sich Gewerkschaften, die auf Wachstum für Erfolge angewiesen sind,
so leicht ökologisieren lassen, steht auf einem anderen Blatt.
Solaren Sozialismus favorisierte Elmar Altvater, emeritierter Professor
für Politikwissenschaft. Man müsse komplett Abschied nehmen
vom fossilen Energiesystem. Peak Oil erhöht die Kriegsgefahr enorm,
stellt inzwischen sogar eine Bundeswehrstudie fest. Nur ein ökosozialistisches
Profil sei für das 21. Jahrhundert angemessen. Man müsse die
historische Dimension sehen: In 99,9 % der Menschheitsgeschichte gab
es keinen Wachstumsdiskurs. Erst mit dem kapitalistischen England kommt
dieser auf. Trotz aller Krisen war in den letzten 200 Jahren ein durchschnittliches
Wachstum von 2,2 % zu verzeichnen. Diese Periode geht unwiderruflich
zu Ende. Neben den erwünschten Produkten fielen zugleich Abluft,
Abwasser und Abfälle an. Nötig sei gleichzeitig Wachstums-
und Akkumulationskritik. Laut einer Emnid-Studie seien 88 % der Menschen
wachstumskritisch eingestellt.
Holger Rogall, Professor an der Hochschule für Recht und Wirtschaft
in Berlin, wandte ein, wenn man nach Nullwachstum bzw. stagnierenden
Einkommen frage, sähen die Ergebnisse völlig gegenteilig aus.
Er sehe, die jetzige Zivilisation stehe völlig in Frage. Die sich
abzeichnenden klimatischen Brüche bleiben für Jahrtausende
wirksam. Wir leben in einem Kartenhaus und niemand weiß, wo die
erste Karte gezogen wird. Von den 15 großen Fischgründen der
Erde seien alle überfischt. Auch die erneuerbaren Ressourcen werden
im Übermass geplündert. Extreme Preissteigerungen und soziale
Abstürze sind vorhersehbar. Es wird um das nackte Überleben
gehen. Aber was tut unsere politische Elite? Man fühlt sich an das
alte Rom erinnert. Gegen die gigantischen Flüchtlingswellen, die
auf Europa zurollen, wird niemand sich wappnen können.
Rogall, SPD-Mitglied, warb dafür, alle Ökolinken müssen
zusammenwirken, über Parteigrenzen hinweg. Immer wo Wirtschaft die
Ressourcen übernutzt, sollten ökologische Steuern greifen und
schrittweise so lange erhöht werden, bis die Umweltbalance wieder
erreicht wird. Hier freilich muss ein Alleinstellungsmerkmal der LINKEN
greifen, wie es Wolfgang Methling nur allgemein forderte. Aufkommensneutral
und sozialpolitisch ausgewogen müssen ökologische Steuern an
anderer Stelle den Bürgern zurückgegeben werden.
Methling, als Sprecher der Bundes-AG Umwelt-Energie-Verkehr meinte, es
sei eine ressortübergreifende Politik nötig, in allen Bereichen
muss ökologische Kompetenz zur Anwendung gelangen. Umweltwissen,
vermittelt vom Kindergarten bis zur Hochschule, wäre eine zentrale
Bildungsaufgabe. Auch komme der politischen Kultur, nicht zuletzt in
der eigenen Partei, hohe Bedeutung zu.
Das Führungspersonal der LINKEN sollte ökologische Aussagen
glaubhaft in den Medien vertreten können. Ökologie muss Chefsache
an der Spitze und in der ganzen Partei werden. Bei der im Programmentwurf
geforderten Zentralität der ökologischen Frage fehlen die politischen
Antworten. Gelingt dabei nicht ein qualitativer Sprung, wird man auf
Parteitagen um Mehrheiten dafür werben. Zugleich dürfe ökologischer
Anspruch nicht nur auf dem Papier stehen, sondern müsse politische
Praxis werden. So fehlen im Programmentwurf die ökologischen Leitplanken
für eine Regierungsbeteiligung, Vorgaben, die auch bei oppositionellem
Handeln bindend sein sollten. Allerdings bleibt anzumerken, noch sind
die Umweltaussagen im Grundsatzprogramm der Grünen ganze Klassen
professioneller als die Umwelt-einsprengsel im linken Programmentwurf.
Der Drang das kürzeste Programm aller Parteien vorzulegen, führte
zu inhaltlichen Defiziten nicht nur in der Umweltpolitik.
Heftig diskutiert wurde, wie ganze Wirtschaftszweige zurückgebaut
und wo Wachstum erwünscht ist, ob man auf das Zinsnehmen verzichten
könnte. Eine andere Verteilung sei unumgänglich für einen
sozial-ökologischen Wandel. Moderator Götz Brandt sah abschließend
noch viel Diskussionsbedarf, wie das heutige Wirtschaftsvolumen auf ein ökologisch
verträgliches Maß schrumpfen könnte. Die Ökologische
Plattform plant sämtliche Konferenzbeiträge zu dokumentieren.
Neues Deutschland,
14.9.2010
www.umweltdebatte.de
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