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Die Welt nach dem Klimakollaps
Ökologische Gemeingüter, statt letalem Finanzkapitalismus
Von Marko Ferst
Man merkt dem Buch von Johannes Heimrath an – es kommt aus einer
anderen geistigen Er-fahrungswelt. Mehrere Jahrzehnte wahlverwandtschaftliche
Großfamilie fließen ein. Heimrath gibt die kulturkreative
Zeitschrift „Oya“ heraus, die über Ökodörfer,
sozialökologische Be-wegung u.a. berichtet. Zuletzt heimisch geworden
in der Alternativkommune in Klein-Jasedow Nahe der Insel Usedom, stellt
er die Frage nach einer enkeltauglichen Lebensweise, die mit dem herrschenden
Wettrennen um wirtschaftliches Wachstum keinesfalls zu erreichen sein
dürfte. Wenn man bedenkt, der globale Ausstoß an Kohlendioxid
erhöhte sich seit 1990 um nahezu 50 Prozent auf 34 Mrd. Tonnen im
Jahr, dann dürfte klar sein, wir befinden uns unwiderruflich auf
einem Weg zu einer Treibhauszeit mit 4 bis 6 Grad globaler Temperatur-erhöhung,
bei nur schwer kalkulierbaren Folgen für das Wettergeschehen und
die Ökosphäre in den einzelnen Weltgegenden.
Heimrath geht von der These aus, ohne einen Kollaps des westlichen Macht-
und Ausbeu-tungssystems, des dominierenden westlichen Zivilisationssystems,
wird es keinen fundamen-talen ökologisch-nachhaltigen Neuanfang
geben. Zu sehr hängen die Menschen in den reichen Ländern an
den Segnungen der Konsumgesellschaft und China, Brasilien und andere
aufstre-bende Nationen wollen aufschließen. Dabei ist er sich bewußt,
die Wahrscheinlichkeit für eine kulturell-gesellschaftliche Alternative
ist nur äußerst gering zu veranschlagen, Auswege können
kaum in antiquierten -ismen gefunden werden. Das Parteiensystem ist so
von den in-nergesellschaftlichen Kämpfen absorbiert, teils machtlos,
teils mit korrupten Strukturen durchsetzt, dass es als transformierende
Kraft auszufallen scheint.
Ihm ist wichtig, auch der Gleichheit und Brüderlichkeit im Ruf der
französischen Revolution die nötige Aufmerksamkeit zu schenken.
Er wirbt für eine Gesellschaftsform, des Gemeinsa-men, des Füreinanders,
der Achtung und des Respekts nicht nur der Menschen untereinander, sondern
auch gegenüber der Tier- und Pflanzenwelt und fasst diese Weltsicht
unter dem Be-griff Commonie zusammen. Sie gründet auch auf einer
anderen Erfahrungswelt gegenüber dem Eigentum und favorisiert die
Gemeingüter, will Empathie als wichtigstes Bildungsziel sehen.
Als wahrscheinlichstes Szenario im ökologischen Untergang sieht
er jedoch, es bilden sich kleine militärisch abgeschirmte Inseln
für die reichen Eliten, der Rest wird sich selbst überlas-sen.
Denkbar wäre auch, es bleiben staatliche Strukturen erhalten und
es findet ein endloses Siechtum bei Minimalkonsum statt. Das in den kommenden
Klimakatarakten die Finanzmärk-te implodieren werden und dabei große
Teile der Realwirtschaft unter sich begraben, ist recht wahrscheinlich.
Heimrath zieht auch Jared Diamonds Buch „Kollaps“ heran,
der einen Rück-fall in einen vorzivilisatorischen Zustand für
möglich hält. Die Radhacke könnte wichtiger werden, als
die neueste Computertechnik.
Johannes Heimrath: Die Postkollaps-Gesellschaft, Scorpio-Verlag 2012,
335 S., 19,95 €
Neues Deutschland, 19.8.2013
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