Wahl 2002: Hat sich die PDS ökologisch fit gemacht?

 

Marko Ferst

 

Längst könnten die Sozialisten über einen starken ökologischen Reformflügel verfügen und dem butterweichen Marketingöko der Regierungsgrünen unmißverständlich Paroli bieten. Besonders im Westen würde die PDS mit einer offensiveren Ökopolitik Wählerstimmen sammeln können und die Grünen auf ihrem eigenen Terrain in ernste Bedrängnis bringen. Wie dies geht, kann man im Ringen der PDS um eine glaubwürdige nichtmilitärische Friedenspolitik sehen, gleichwohl auch hier das Votum für eine konsequente Abrüstungspolitik zu wenig öffentlich publik wird. Würden beide Partei-en, statt einer Abwärtsspirale von immer weniger sozial-ökologischer Zukunftspolitik eine Konkurrenz um die bessere Realisierung derselben entfachen, könnte man wenigstens von einer, wenn auch kleinen Chance sprechen, die der politischen Sphäre in Deutschland noch einzuräumen wäre. Dem ist nicht so, trotz kleiner Erfolge, wie dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz. Nicht nur im Bereich eines schnellen Atomausstiegs könnte die PDS inzwischen mit den besseren ökologischen Karten punkten.
Täglich werden weltweit mindestens 100 Millionen Tonnen Treibhausgase in die At-mosphäre geblasen und lassen eine Klimakatastrophe immer unausweichlicher werden. Maximal hält der IPCC für dieses Jahrhundert eine durchschnittliche Temperaturerhöhung von 5,8 Grad Celsius für möglich. Eine solche Entwicklung wird keines der hiesigen politischen Systeme aushalten, ein totalitärer Einbruch der jetzigen Staatsdemokratien ist dann fast unvermeidlich. Dabei dürfte der IPCC vermutlich mehrere nichtlineare Rückkopplungen gar nicht berücksichtigt haben, etwa die riesigen Me-thanhydratvorkommen, die bereits bei einer geringen Erderwärmung freigesetzt wer-den könnten oder die begrenzte Speicherkapazität von CO2 in den Ozeanen. Vermut-lich muß vordringender Wüstensand erst in die Berliner Regierungspaläste wehen, be-vor man begreift, eigentlich hätte man schon einige Jahrzehnte früher eine intelligente Selbstbegrenzung und solare Produktions- und Lebensweise ansteuern müssen.
Die Studie "Umweltbewußtsein in Deutschland 2000", erarbeitet im Auftrag des Um-weltbundesamtes, hält fest: Wenn man fragt, wieviel Vertauen die Deutschen in Sachen umweltpolitischer Kompetenz in die einzelnen Parteien, in die Kirchen, bei den Gewerkschaften, der Industrie usw. haben, dann bekommt die PDS, die absolut schlechteste Benotung dabei. Wenn 1 für volles Vertrauen gesetzt wird und 5 für kein Vertrauen, dann liegt der Mittelwert bundesweit für die PDS bei 4,0. Auch der Wert für die neuen Bundesländer ist mit 3,4 nicht gerade überwältigend. Die dahinter liegenden Probleme sind nicht neu und vielen Umweltbewegten in der PDS gut bekannt, auch wenn die Härte des öffentlichen Urteils auch mich überraschte. In der öffentli-chen Wahrnehmung verfügen die Grünen nach wie vor einen großen Vorsprung in der Vertrauensbewertung.
Völlig zurecht kritisiert der BUND, Naturschutz und Flächenverbrauch komme im Wahlprogramm der PDS für den Herbst 2002 nicht vor und Aussagen zur ökologischen Finanzreform fehlen u.a.. Dazu muß man wissen, mindestens acht Anträge zu ökologischen Belangen, darunter zum Naturschutz, die das Wahlprogramm konstruktiv verbessern sollten, lehnten die Delegierten mit Empfehlung der Antragskommission auf dem Rostocker Bundesparteitag ab. Das ist schon ein Armutszeugnis. Wer die Reden der wichtigsten Bundespolitiker der PDS analysiert, wird feststellen: Öko kommt, wenn überhaupt, dort nur als Phrase vor. In den vergangenen zwei Jahren wurde ein regelrechtes Rollback gefahren. In Sachen Ökosteuer rutschte die gesamte Bundestagsfraktion mit einer Ausnahme auf noble FDP-Abschaffungsparolen ab, statt mehr soziale Balance bei der Ausgestaltung zu fordern. Die Ökologische Plattform bei der PDS durfte im Kontext von Leitanträgen der Partei beständig ermahnen, es doch auch mal mit umweltpolitischen Inhalten zu versuchen. Bei den entsprechenden Zuarbeiten per Antrag auf dem Dresdner Parteitag 2001 mußten auf Druck der Seite des Parteivorstandes Aussagen zum Klimaschutz und zur ökologischen Steuerreform ent-fernt werden. Abgesicherte ökologiepolitische Beratung für den Parteivorstand und die Partei fehlt seit 1998.
Das es jetzt einen Beschluß des Parteivorstandes der PDS gibt, Großflughäfen zwi-schen dichter Besiedlung so wie in Schönfeld nicht zu bauen, ist von mehreren PDS-Bürgermeistern, der Ökologischen Plattform und vielen weiteren erkämpft worden. Man wird vermutlich nachlegen müssen, damit auch die Mehrheit stromlinienförmig angepaßter Berliner Fraktionäre in der Partei dies begreift, ganz zu schweigen von den beiden sozialdemokratischen Landesvätern in Berlin und Brandenburg.
Die PDS war mit ökologischen Politikangeboten schon einmal weiter. In dem Band "Reformalternativen" der Rosa-Luxemburg-Stiftung von Dieter Klein, Judith Dellheim u.a. ist, wenn auch nicht widerspruchsfrei, eine Strategie für eine sozial-ökologische PDS ausformuliert. An gar nicht so wenigen Stellen in der PDS gibt es auch vor Ort aktive Umweltbewegte, aber auch einige wenige, die in Land und Bund, die grüne Fahne hochhalten.
Wenn wir einen Blick nach Mecklenburg-Vorpommern werfen, die dort begonnene Renaturisierung von Moorgebieten ist sicherlich im Rahmen der Möglichkeiten kein schlechter Anfang und auch zur Vermeidung von CO2 recht wirksam. Damit verbunden ist eine Erhöhung der Mittel für den Klimaschutz. Zu Beginn von Rot-Rot 1998 betrugen sie 2 Millionen DM. Für 2003 sind 6 Millionen DM geplant. Freilich ist die A 20 kein Ruhmesblatt und weitere Ausbaupläne für Autobahnen sollten rechtzeitig eingestampft werden. Immerhin zeigen die Nordlichter der PDS: Es geht auch anders.
Anfang 2002 wurde eine neue grundsätzliche Programmatik der PDS im Entwurf vorgestellt. Eine Umweltpassage gibt es darin, die Frage ist wieviel davon durch immer weichgespültere Formulierungen ersetzt wird und überdies ist der ganze Entwurf für das Parteiprogramm nicht frei vom nekrophil-ökonomischen Wachstumsdenken. Die Ökologische Plattform wies in einem eigenen Beschlußtext auf einige Mängel hin, meinerseits verfaßte ich aus PDS-Textmaterial einen völlig neuen, viel weitergehenden Ökologieabschnitt. Ohne öffentliche Diskussion darüber, wird davon garantiert nichts eingehen. Da fragt sich, warum nicht die Diskussion aus Hinterzimmergesprächen herausholen und öffentlich politisieren? Es wäre sicherlich nützlich solche programmatischen Diskussionen auch mit Umweltverbänden und- initiativen zu führen und damit jene ewiggestrigen Linken, die sich in Anpassung an das normale parlamentarische Geschehen üben, unter Druck zu setzen.
Gerade im Osten bei der relativen Stärke der PDS in den Ländern, wäre es wichtig, daß ökologische Positionen nicht Stück für Stück wegbrechen. Vieles würde dafür sprechen, über bestehende Kontakte hinaus, daß Umweltbewegte in den verschiedenen Parteien, Umweltverbänden und -initiativen eine engere Zusammenarbeit an gezielten Punkten versuchen sollten. Freilich verfügt ehrenamtliches Engagement begrenzte Ressourcen. Gegen einen Großflughafen Schönefeld, den Ausbau der Elbe oder neue Castortransporte u.a. Kruditäten kann man über diverse Organisations- und Parteigrenzen hinweg sicher konzentrierter vorgehen.

Der Autor ist Mitglied im Koordinierungsrat der Ökologischen Plattform bei der PDS und veröffentlichte zusammen mit Franz Alt und Rudolf Bahro den Band "Wege zur ökologischen Zeitenwende".

2.9.2002, Neues Deutschland, Originaltext