Auf tönernen Füßen: Berliner Rot-Rot

Zur Berichterstattung über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen in Berlin

Die Linkspartei erhielt 2001 bei der Wahl in Berlin 366.000 Stimmen. 2006 verlor sie davon 181.000 Wählerstimmen, rund die Hälfte. Trotz dieses politischen Desasters will man um jeden Preis erneut Regieren. Es stünde an personelle Konsequenzen zu ziehen, wie Gesine Lötzsch fordert. Die Berliner PDS befindet sich in einer extrem geschwächten Position, so daß sie leicht dirigierbares Freiwild für die SPD wird. Warum die Grünen als Koalitionspartner nehmen, wenn man auch mit einem pflegeleichteren Partner regieren kann? Gregor Gysi empfiehlt jedoch auf den Regierungsplätzen in Berlin kleben zu bleiben, wie einst die graue Garde im SED-Politbüro. Rot-Rot ist chancenlos, wenn große Teile der Basis der Linkspartei dies nicht mehr wollen und die Mehrheits-WASG in Berlin ohnehin nicht. Es liegt in der Verantwortung der Delegierten solchem Ansinnen die rote Karte zu zeigen. Es wird Zeit, daß wieder hochwertige Oppositionsarbeit geleistet und gelernt wird. Das sollte sich langsam auch bei Freunden mit hoher Reformwendigkeit, zuweilen auch Reformwindigkeit und Karrierestreben, rumgesprochen haben. Berlin ist ein Lehrstück geworden, wie Regierungsarbeit nicht laufen sollte. Gewiß wird es auch Positives zu verbuchen geben und Regieren ist sicher kein Spaziergang. Aber das Gesamthaus steht schief. Hans Modrow ist zuzustimmen, eine Berliner Rot-Rote Koalition kann Angesichts ihres innerparteilichen Konfliktpotentials dazu führen den Vereinigungsprozeß zwischen WASG und Linkspartei grundlegend zu gefährden.

Marko Ferst

tageszeitung, 2.10.2006, MOZ 7.10.2006 z.T.