|
Ein Politikwechsel in der PDS ist nötig
Gedanken zur Parteilage, 10 Jahren Ökologischer Plattform und
zu ökologischem Engagement in der Partei
Marko Ferst
Am 7.2.1994 gab es bei einer Veranstaltung mit Diskussion zwischen Andre
Brie und mir,die Idee von Manfred Wolf eine Ökologische Plattform
in der PDS zu gründen, die bei mir spontan auf Zu-stimmung stieß.
Das war der Keim, der am 24.6.1994 zur Gründung führte. Es gab
1999 eine große Konferenz für eine ökologische und soziale
Zeitenwende der PDS, die maßgeblich von der Ökologi-schen Plattform
mitorganisiert wurde.Ein Parteitag setzte sich zwei Stunden mit dem ökologischen
Thema auseinander, freilich sollte es eigentlich deutlich umfangreicher
geschehen, laut Beschluß der Delegierten. Über einen längeren
Zeitraum gab es öffentliche monatliche Veranstaltungen.
Besonders gut besucht war eine Gedenkveranstaltung zu Rudolf Bahro 1998
und der Workshop zur alternativen Lebensweise 2001.Als sinnvoll haben
sich die jährlichen größeren Veranstaltungen erwiesen.
Zuletzt war dies der Workshop zur Sicherung der Welternährung, der
in Kooperation von vier Arbeitsgemeinschaften/ Plattformen organisiert
wurde.Aus den Readern "Ökovision" ab 1994 und später
der Blattsammlung "tarantel "hat sich inzwischen eine interessante
Zeitschrift entwickelt, die vier Mal im Jahr erscheint. Zahlreiche Anträge
auf Parteitagen erhielten immer mal wieder auch die Zustimmung der Delegierten,
so zum Beispiel der Hochwasserschutzantrag 2002.Intensiv mit viel Material
brachten wir uns in die Programmdebatte ein. Die Ergebnisse konnten nicht
befriedigen. Konstituierend war auch,daß man häufig mit Parteivorständen
zu tun hatte, die sich um ökologische Belange wenig scherten. Ausnahmen
wie Dieter Klein als Vorstandsmitglied gab es wohl, der in dem Band "Reformalternativen
" Positionslichter für eine ökologischere PDS absteckte.
Seit im Karl-Liebknecht-Haus 1998 hauptamtlich das Thema Umwelt nicht
mehr bearbeitet wurde, mußte die Arbeit der Plattform komplett ehrenamtlich
organisiert werden. Dies hat vorteilhafter Weise zu mehr Selbstorganisation
geführt. Neue Mitstreiter kamen hinzu, die auch organisatorisch mithalfen.
Das gelegentlich auch einiges hakt, ließ sich an der lange Zeit
nicht betreuten Homepage sehen oder anderen Mängeln. Freilich ersetzen
konnte die hauptamtliche Funktion niemand und schon gar nicht nach der
verlorenen Bundestagswahl von 2002, wo dann auch noch Eva Bulling-Schröter
als
Ansprechpartnerin weg fiel. Presseerklärungen aus der Ökologischen
Plattform z.B. zu den Castor-transporten gab es gelegentlich. Jedoch wenn
Vorstände meinen, ökologische Kompetenz und Politikintervention
ergäbe sich von selbst, ohne dies strukturell und personell intelligent
absichern zu müssen, dann hat man den jetzigen wenig erbaulichen
Zustand, trotz der neuen parlamentarischen BAG Umwelt.
Die PDS insgesamt ist in sehr schwieriges Fahrwasser geraten. Wie ist
es denn vermittelbar, wenn die Partei auf der einen Seite die Fahrpreise
für sozial schwache drastisch erhöht, das Blindengeld kürzt,
verkontete Studiengebühren einführen will (was vorläufig
abgewehrt werden konnte) und auch an vielen anderen sozialen Abbrüchen
mitwirkt, auf der Bundesebene aber erklärt sie sei gegen die Arztgebühr?
Gewiß die Agenda Sozial der PDS und damit verbundene Aktivitäten
sind sehr zu begrüßen, ebenso Initiativen gegen das Bombodrom.
Für eine politische Partei wie die PDS ist ein gewisses Maß
an Klientelpolitik auch notwendig. Ein Problem entsteht aber dann, wenn
immer mehr sich der Eindruck verstärkt, diese Kritik an der Politik
der anderen Parteien ist auch ein Stück weit Fassade, hinter der
die eigenen mißlungenen Politikergebnisse versteckt werden müssen.
Das sollte freilich niemanden daran hindern die PDS-Protestkarte gegen
die Arztgebühr der Gesundheitsministerin zu schikken. Ich habe das
auch gemacht.
In der Partei hat sich eine moderne Spielart des Opportunismus richtig
breitgemacht, sie paßt sich immer stromlinienförmiger den gängigen
Parlamentswegen an. Der Prozeß der Verstaatlichung und Verparlamentarisierung,
so wie er bei den ursprünglich sehr viel kritischen GRÜNEN stattgefunden
hat, ist auch bei der PDS in hohem Tempo vorangeschritten. Die PDS wandelte
sich von innen her zunehmend mehr in eine Apparatepartei. Der Entscheidungsgang
wird von oben nach unten durch-gesetzt, die Basis ist nur noch Zahlmasse.
Alternative Politikvorstellungen und gesellschaftskritische Themen wie
man sie in den Anfangsjahren der PDS noch finden konnte, sind immer mehr
verschwunden. Nicht wenige Funktionäre in der Partei und die Mehrheit
im Parteivorstand setzt einen Politikkurs fort, der schon 2002 zum Debakel
bei der Bundestagswahl führte.
Auf Grund der Altersstruktur und mangelnder Regenerationsfähigkeit
wird die Mitgliederzahl in der PDS in wenigen Jahren auf 20.000 -30.000
abstürzen. Zwischen 1998 und 2002 lag der jährliche Mitgliederschwund
bei 6000 Leuten. Ende 1998 gab es noch rund 94.600 Mitglieder. Bis Ende
2002 waren davon noch 70.800 übrig geblieben. Schätzungsweise
nicht mehr als 63.000 Mitglieder dürften es derzeit noch sein. Vieles
deutet darauf hin, daß es 2003 und anhaltend eine große Austrittswelle
bei der PDS gibt. Mündlich übermittelte Zahlen liegen mir aus
dem Bundesland Nordrhein-Westfalen vor. Anfang 2003 gab es dort rund 1300
Mitglieder. Ende 2003 sank der Mitgliederstand auf fast 900. Insgesamt
gibt es noch keine offiziellen Zahlen für Ende 2003, auf Nachfrage
bei der Bundesgeschäftsstelle erhielt ich die Auskunft nach vorläufigen
Schätzungen muß man von etwa 7% Reduktion gegenüber Ende
2002 ausgehen.
Es ist absehbar,daß für eine politisch nicht mehr zuordbare
PDS das Totenglöckchen 2006 zur Bundestagswahl läutet. Gewiß
wird die PDS als ostzonales Residuum noch eine Weile überleben, als
sozialistische Bundespartei ist sie vielleicht jetzt schon tot. Gebraucht
würde ein grundsätzlicher Politikwechsel in der PDS .Wir müssen
wegkommen von der Opportunitis hin zu konstruktiver inhaltlicher Arbeit,
mit der Konsequenz, daß gescheiterte politische Projekte wie in
Berlin endlich zu Fall gebracht werden. Lehrstück aktuell wieder:
Die PDS in Sachsen-Anhalt (und nicht nur dort) betätigt sich als
Fürsprecher bei gentechnisch bestückten Feldern, entgegen der
Beschlußlage im Europawahlprogramm und obwohl mindestens 70% der
Bevölkerung gegen Gentech votieren. Die Aufstellung der einseitigen
Kandidatenliste zum Europaparteitag und die Reaktion der Mitglieder in
unzähligen Leserbriefen zeigt, es wird eine Politik verfolgt gegen
die Mehrheit der Basis. Glücklicherweise konnte der Schaden durch
die Entscheidung der Delegierten zu mehr Pluralismus korrigiert werden.
Notwendig ist eine kooperativere Arbeitsweise des rechten Parteiflügels
und verschiedener Netzwerke im Funktionärsbereich. Alles ist völlig
auf die Durchsetzung des eigenen Machtanspruchs und die Ausgrenzung des
Restes der Partei bedacht, so als ob die gute alte SED zurückgekommen
wäre. Die Partei selbst sitzt nur noch auf den Zuschauerrängen.
Diese Entwicklung bedeutet für die PDS eine Sackgasse. Gewiß
auch bei den GRÜNEN konnte sich neoliberaler Zeitgeist und parlamentsgängiger
Reduktionismus salonfähig etablieren. Trotz des großen Krötenschluckens
im Laufe der Bundeskoalition, werden respektable Wahlergebnisse erreicht.
Doch auch sie waren zuvor schon mal aus dem Parlament für vier Jahre
hinauskomplimentiert worden. Kopiert die PDS den Weg der GRÜNEN,
kann das jedoch genausogut machtechnisch im Fiasko enden.
Wir brauchen eine Erneuerung der PDS hin zu mehr Bürgernähe,
weg von Funktionärsarroganz, weg von politischer Beliebigkeit und
faulem Reformzauber. Substantielle sozialökologische Zukunftsvorsorge
ist nötig, die PDS braucht wieder ein klar erkennbares und verläßliches
Profil, unverwechselbaren Gebrauchswert für den Wähler. Als
sozialdemokratische Ersatzmannschaft, um bei den anderen Parteien und
Institutionen gut anzukommen, verfehlt sie ihre Aufgabe. Eigentlich hätte
eine soziale und ökologische Partei in Deutschland sehr viel Spielraum
bei der jetzigen Regierungspolitik, Stimmen könnten wie von selbst
zufließen. Sieben oder acht Prozent dürften eigentlich keine
Hürde sein. Man müßte sich nur aufraffen und der neoliberalen
Windigkeit im eigenen Haus den Kampf ansagen. Das wird nur in Form eines
konstruktiven aber eindringlichen Dialogs gelingen.
Kommen wir zurück zur Ökologie. Ich denke, die Ökologische
Plattform muß versuchen ihre Öf-fentlichkeitswirksamkeit auszubauen,
gepaart mit vermehrter Sachkompetenz und gesellschaftskriti-schem Bezug.
Bei ausschließlich ehrenamtlichen Ressourcen ist das gewiß
nicht einfach. Aber wir sollten öfter im ND, in der "jungen
Welt ",im "Disput "und anderswo in Erscheinung treten.
Nicht immer dieselben Namen, sondern bunter und vielfältiger. Sinnvoll
wäre es auch, wenn es gelänge engere Kontakte zu den verschiedenen
Umweltaktiven in den Verbänden, an Universitäten etc. zu bekommen,
sie einzuladen zu Vorträgen etc.
Wir arbeiten noch zu isoliert, zu sehr nach innen zentriert. Bezugspunkt
dürfen nicht nur Parteivor-stände und Abgeordnete sein. Wir
müssen in Zukunft verstärkt darauf achten, daß wir unsere
Ar-beitsressourcen und finanziellen Grundlagen in der Partei nicht durch
Unachtsamkeit unsererseits weiter dezimieren lassen. Käme es zum
Beispiel zu einer Situation, wo wir als Arbeitsgemeinschaft nicht mehr
anerkannt sind (siehe Brief tarantel, Nr. 24 S.31 f.), könnten wir
nicht mal mehr die "ta-rantel "herausbringen oder einen Referenten
wie Wolfgang Sachs o.ä. zu einer Konferenz einladen. Wir würden
zwar existieren, dazu braucht man gewiß keine Finanzen, aber frei
von jeglichen weitergehenden Arbeitsmöglichkeiten. Auch ohne diese
Gefahr: Wir hatten vor einigen Jahren mal 8000 DM zur Verfügung und
haben für 2004 noch 2000€. Wer sollte verhindern, wenn in ein,
zwei Jahren die parlamentarische Umwelt-AG anteilig nicht nur 500€
wie in diesem Jahr (zu Lasten der Plattform)sondern die Hälfte erhält?
Darüber hinaus ist zu erwarten, daß die Zuwendungen für
die Zusammenschlüsse künftig weiter wie schon in der Vergangenheit
sinken werden.
Es ist wichtig zu analysieren, welche Positionen in ökologischen
Fragen bei den GRÜNEN vertreten und wie sie politikpraktisch gehandhabt
werden. Trotz der gewaltigen Anpassungsdrücke, findet man oft genug
noch Aussagen, wo wir in der PDS dagegen ziemlich blaß aussehen.
Wichtig ist aber auch, daß die Ökologische Plattform für
Nichtmitglieder und ausgetretene Mitglieder ein offenes attraktives Forum
bleibt, in dem wir nicht technokratisch-pseudogrünen Thesen das Wort
reden.
Elke Wolf schreibt in ihrem Austrittsschreiben aus der PDS Ende 2003:"Ökologie
wird schlagwort-mäßig erwähnt (in der PDS)und hat in der
Konsequenz doch nur den Stellenwert eines Reparaturressorts. Wer sich
intensiv und kritisch mit dieser Thematik beschäftigt muß konstatieren,
daß wir weit hinter den in Umweltverbänden oder auch im universitären
Bereich vorhandenen und diskutierten Erkenntnissen sowie einer notwendigen
anderen Lebenspraxis zurückstehen. Wir agieren auch hier entsprechend
des Mainstream, sind kompatibel mit Konzerninteressen. Eine tolle Leistung."
[...]
Zum Schluß noch ein paar Gedanken zur globalen Situation, wie sie
sich mir 10 Jahre nach Grün-dung der Plattform darstellt, gleichwohl
vieles, was in der Gründungerklärung steht, Bestand haben dürfte.
Seit etwa 30 Jahren wissen die Gesellschaften um die ökologischen
Risiken. Immer deutlicher zeichnete sich ab, daß die bisherige Zivilisationsentwicklung
nicht haltbar ist und die Stabilität der Ökosysteme existentiell
unterminiert wird. Etliches deutet darauf hin, daß ein glimpflicher
Ausgang dieses Konfliktes kaum noch zu erwarten ist, sondern vielmehr
das globale soziale Verwerfungen im Zuge des Götzendienstes für
den totalen Markt gefährlichen zusätzlichen Brandstoff anhäufen,
ganz zu schweigen von riskanten militärischen Strategien. Globalisierte
soziale Degradation, immer mehr Weltbevölkerung gleitet in Armut
ab und auf der anderen Seite rabiatere Formen parasitärer Aneignung
treffen auf das Erfordernis, mit einem Bruchteil der heutigen Industriegesellschaft
auskommen zu müssen. Das kann u.a. schnell zu Systemwechseln und
totalitär-tyrannischen Strukturen führen. Einige Voreinstellungen
dafür hat, glaube ich, Carl Amery in "Hitler als Vorläufer
"aufschlußreich analysiert, gleichwohl das Problem, wie er
auch selbst deutlich macht, von gewöhnlichen Regierungen ausgeht.
Einige deutliche Denkanstöße findet man auch in dem Roman "GO!
Die Ökodikdatur "von Dirk C.Fleck, gleichwohl für sein
Szenario keine rechte Republik, sondern nur ganz gewöhnliche Regenten
vorausgesetzt sind.
Gewiß würde mir eine Perspektive, in dem Spektrum wie ich sie
in dem Zukunftskapitel in dem Band "Wege zur ökologischen Zeitenwende
"beschrieben habe, wesentlich sympathischer erscheinen. Aber wenn
es so ist, daß eine vollständige solare Energiewende, Energiesparen
etc. womöglich nur noch die Zeitachse strecken, dann entsteht folgende
Aufgabenstellung: Wie können bei so einem Abrutschungsprozeß,
die schlimmsten gesellschaftlichen Entgleisungen vermieden werden? Es
kommt dann sehr auf die kulturelle und geistig-seelische Beschaffenheit
der Gesellschaften an, gleichwohl diese auch an die systemischen Strukturen
rückgekoppelt ist. Zu eng scheint mir der Blickwinkel von Herbert
Gruhl, wenn er sagt -Untergang und Ende. Das wird eine völlige neue
Phase in der Menschheitsgeschichte einleiten, einen Absturz in ein dunkles
Jahrtausend. Uns drohen weltbürgerkriegsartige Zustände. Das
alles erübrigt jedoch keineswegs nach ökologischen Lebens- und
Produktionsweisen zu suchen. Aber viele gesellschaftliche Konventionen
werden zusammenkrachen wie ein Karten-haus. Dazu gehört ganz sicher
auch, wie heute Parteien meinen das Zivilisationsthema Ökologie als
eher unwichtiges Politikfeld abhandeln zu können. Die Idee gegenwärtige
soziale und wirtschaftliche Interessen mit dem globalen Naturhaushalt
in Übereinstimmung zu bringen, übersieht, unsere ganze produktivistische
industrielle Kultur ist zur Debatte gestellt. Die heutigen Modi von Wohlstandsansprüchen
und plutokratischen Wirtschaftswundertaten sind eine "braune Revolution"
gegen die zukünftigen Generationen und ihre elementaren sozialen
Lebensinteressen. Wir alle sind schuldig. Ich sehe mich als Mittäter.
Geistig und kulturell völlig neu konzipiert werden muß eine
grüne Systemwende. Gerade wenn wir in ein Zeitalter des Niedergangs
der bisherigen Ordnungen, in eine totale Krise hineingleiten, ist es wichtig,
daß neue Wege und Ideen bei den gesellschaftlichen Minderheiten
entwickelt werden. Sonst kommt auch in den Jahrhunderten des Untergangs,
die jeweils schlimmste gesellschaftliche Lösung zum Zuge. Und eines
ist klar: Unsere Gesellschaften sind auf diesen historischen Bruch überhaupt
nicht vorbereitet und verdrängen die Probleme auf vielfältige
Weise. Die große Mehrheit geht immer noch davon aus die Erde ist
eine "Scheibe ".
erschienen in tarantel Nr.24
zur
Hauptseite www.umweltdebatte.de
|
|