Wählen für eine ökologische Umkehr?

Zur Wahlberichterstattung und Klimaschutz

Welche Art von politischer Wahl haben wir überhaupt am 26. September? Wir schlittern von Jahr-zehnt zu Jahrzehnt tiefer in eine unlösbare ökologische Zivilisationskrise. Am Ende etlicher Genera-tionen bedeuten global nur zwei Grad mehr, der Meeresstrand verläuft mitten durch Berlin. Was in drei, vier Dekaden bei Temperaturspitzen von 50 Grad im Sommer hierzulande auf den Feldern noch wachsen soll, ist eine hochbrisante Frage. Schwerste Hungerkrisen werden um sich greifen, die Wälder verschwinden. Ob von künftig 10 Milliarden Menschen, eine oder eine halbe Milliarde in nördlichen Gunstgebieten übrig bleiben, liegt in der Macht der Naturgewalten. Wie Glaubrecht in „Das Ende der Evolution“ belegt, sind wir bereits mitten drin im sechsten Massensterben an Tier- und Pflanzenarten. Laschet, Lindner wie Scholz offerieren uns weiteres Wirtschaftswachstum, natürlich „klimaneutral“ übertapeziert. Der DDR-Regimekritiker und Sozialökologe Rudolf Bahro schrieb Ende der achtziger Jahre in „Logik der Rettung“, man müsse die Material- und Energieverbräuche um den Faktor zehn reduzieren. Dies kommt der Wahrheit beträchtlich näher. Wenn Parteien das forderten, würden sie gelyncht, insofern fokussiert man sich auf 100 % erneuerbare Energien, was leichter vermittelbar ist. Sicher, starke Grüne, vielleicht auch Linke, könnten erste kleine Veränderungen anstoßen und weitere vorbereiten. Erst wenn immer mehr Menschen erkennen, wir müssen unser plutokratisches System grundlegend revidieren hin zu Formen generationenübergreifenden Gemeinwohls, geht es um mehr als das richtige Kreuzchen am Wahltag. Die aktuellen Politikmuster werden den Untergang nicht aufhalten, und wir handeln ohnehin drei Jahrzehnte zu spät jetzt.

Marko Ferst



erschienen in der "Frankfurter Rundschau", "Tagesspiegel" und "Märkischer Oderzeitung" in unterschiedlichen Varianten (September 2021)

 

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