Die Erde ist dabei, ein tödliches Fieber zu bekommen, das 100 000 Jahre dauern kann.

Jede Nation muss den besten Nutzen der Ressourcen finden, um die Zivilisation so lange wie möglich aufrecht zu erhalten.

 

James Lovelock

 

Stellen sie sich eine junge Polizistin glücklich bei der Erfüllung ihres Berufes vor und sie hätte einer Familie, deren Kind sich verirrte, zu sagen, dass es den Tod gefunden hat, ermordet in einem nahe gelegenen Wald. Oder denken sie an einen erst kürzlich neu angestellten Arzt, der ihnen sagen muss, dass die Gewebeprobe das Eindringen eines agressiven metastierenden Tumors zeigte. Ärzte und die Polizei wissen, dass viele die einfache schreckliche Wahrheit mit Würde akzeptieren, aber dass andere vergebens versuchen, sie zu leugnen.
Was auch immer die Reaktion ist, die Überbringer einer solchen schlechten Nachricht stumpfen selten gegen ihre Aufgabe ab und einige fürchten sie. Wir haben die Richter von der schrecklichen Verantwortung entlastet, ein Todesurteil zu sprechen, aber wenigstens hatten sie einen gewissen Trost durch deren häufige moralische Rechtfertigung. Die Ärzte und die Polizei können ihrer Pflicht nicht entfliehen.
Dieser Artikel ist aus diesem Grund der schwierigste, den ich geschrieben habe. Meine Gaia – Theorie sieht die Erde so funktionierend als wäre sie lebendig, und offensichtlich kann sich so etwas Lebendiges guter Gesundheit erfreuen oder Krankheiten erleiden. Gaia hat mich zu einem planetarischen Arzt gemacht und ich nehme meinen Beruf ernst, und nun muss ich auch schlechte Nachrichten überbringen.
Die Klimazentren überall auf der Welt, die den Pathologielabors der Hospitale ähnlich sind, haben über die physischen Bedingungen der Erde berichtet und die Klimaspezialisten sehen sie ernstlich krank und bald in ein krankhaftes Fieber übergehen, das 100 000 Jahre dauern kann. Ich muss ihnen als Mitglieder der Erdenfamilie und einem originären Teil von ihr sagen, dass sie und besonders die Zivilidation Gefahr laufen, sich ihr eigenes Grab zu schaufeln.
Unser Planet hat sich selbst gesund und fit für das Leben erhalten, so wie das ein Tier tut, mehr als 3 Milliarden Jahre seiner Existenz. Es war verhängnisvoll, dass wir begonnen haben, sie zu verschmutzen, da die Sonne zu heiss ist, uns zu helfen. Wir haben Gaia ein Fieber verpasst und bald wird sich ihr Zustand verschlechtern bis zu einem Zustand, der an ein Koma erinnert. Sie war zuvor schon einmal in einem solchen Zustand und hat sich erholt, aber es hat mehr als 100 000 Jahre gedauert. Wir sind dafür verantwortlich und wir werden die Konsequenzen zu tragen haben: im Verlauf dieses Jahrhunderts wird die Temperatur um 8 Grad in den gemäßigten Zonen und um 5 Grad in den Tropen ansteigen.
Ein großer Teil der tropischen Landmasse wird Buschwald und Wüste werden, und wird nicht länger der Regulation dienen; das kommt zu den 40 % der Erdoberfläche hinzu, an denen wir Raubbau getrieben haben, sodass sie nicht mehr für die Erzeugung von Nahrung geeignet sind.
Seltsamerweise reduziert die Luftverschnutzung auf der nördlichen Hemisphäre die globale Erwärmung, indem sie das Sonnenlicht zurück in den Weltraum reflektiert. Diese „globale Verdunkelung“ ist aber nur vorübergehend und kann in ein paar Tagen wie Rauch, was sie ist, verschwinden und uns voll der Hitze des globalen Treibhauses aussetzen. Wir befinden uns in einem verrückten Klima, zufällig kühl gehalten durch Rauch und bevor dieses Jahrhundert zu Ende ist, werden Milliarden von uns sterben und einige wenige Paare von Menschen, die überleben, werden sich in der Arktis befinden, wo das Klima erträglich bleibt.
Da wir nicht zur Kenntnis genommen haben, dass die Erde ihr Klma und ihren Zustand selbst reguliert, sind wir in den Versuch gestolpert, es selbst zu tun, und so zu handeln, als hätten wir die Verantwortung. Indem wir das tun, verdammen wir uns zu der schlimmsten Form der Sklaverei. Wenn wir uns dazu entschließen, die Verwalter der Erde zu sein, dann sind wir auch verantwortlich für die Erhaltung der Atmosphäre, des Ozeans und der Landoberfläche, um dort zu leben. Das ist eine Aufgabe, die wir bald als unmöglich empfinden werden – und als etwas, bevor wir Gaia so schlecht behandelt haben, was sie aber so bereitwillig für uns getan hat.
Um zu verstehen, wie unmöglich es ist, denkt daran, wie ihr euer eigenes Temperament oder den Zustand eures Blutes regulieren würdet. Diejenigen, die versagende Nieren haben, kennen die nicht endende tägliche Schwierigkeit, Wasser, Salz und Proteinzusatz richtig einzusetzen. Die technologische Festlegung der Dialyse hilft, aber sie ist kein Ersatz für funktionierende gesunde Nieren.
Mein neues Buch „Die Rache der Gaia“ führt diese Gedanken weiter aus, aber sie können immer noch fragen, warum die Wissenschaft so lange gebraucht hat, um die wahre Natur der Erde zu erkennen. Ich denke, das kommt daher, dass Darwins Vision so gut und klar war, dass es bis jetzt gebraucht hat, sie zu verarbeiten. Zu seiner Zeit war über die Chemie der Atmosphäre und der Ozeane wenig bekannt und er hatte wenig Grund, sich zu fragen, ob die Organismen ihre Umgebung genauso veränderten, wie sie sich an sie anpaßten.
Wäre es damals bekannt gewesen, dass das Leben und die Umwelt eng verbunden sind, dann hätte Darwin gesehen, dass die Evolution nicht nur die die Organismen umfasst hätte, sondern auch die gesamte Erdoberfläche. Wir hätten dann die Erde betrachtet als ob sie lebendig wäre und wir hätten erkannt, dass wir die Luft nicht verschmutzen und die Erdoberfläche - ihre Wälder und Meeresökosysteme - nicht einfach nur als Quelle der Produkte betrachten können, um uns zu ernähren und unsere Heime auszustatten. Wir würden instinktiv gefühlt haben, dass solche Ökosysteme unberührt gelassen werden müssen, denn sie sind Teil der lebendigen Erde.
Also, was sollen wir tun? Zuerst müssen wir uns das schreckliche Tempo der Veränderungen vor Augen halten und erkennen, wie wenig Zeit noch übrig ist, um zu handeln; und dann muss jede Gemeinschaft und Nation die beste Verwendung ihrer Ressourcen herausfinden, um die Zivilisation so lange sie können zu erhalten. Die Zivilisation ist energieintensiv und wir können sie nicht beseitigen, ohne selbst zu zerbrechen., so brauchen wir die Sicherheit eines gestützten Abstiegs. Auf diesen britischen Inseln sind wir gewöhnt, an die ganze Menschheit zu denken und nicht nur an uns selbst; die Umweltveränderung ist global, aber wir müssen uns mit den Konsequenzen hier im Vereingten Königreich auseinandersetzen.
Unglücklicherweise ist unsere Nation so verstädtert wie eine große Stadt und wir haben nur eine kleine Fläche für Land- und Forstwirtschaft. Wir sind abhängig vom Welthandel; eine Klimaveränderung wird uns regulären Nachschub von Nahrungsmitteln und Brennstoffen von Übersee versagen.
Wir könnten genug anbauen, um uns auf dem Niveau des 2. Weltkrieges zu ernähren, aber die Vorstellung, dass genug Land da ist, um Biobrennstoffe oder Windparks anzulegen, ist lächerlich. Wir sollten unser bestes tun, um zu überleben, aber traurigerweise kann ich nicht sehen, dass sich die USA oder die wachsenden Wirtschaften Chinas und Indiens rechtzeitig einschränken, und sie sind die Hauptquelle der Emissionen. Das Schlimmste wird passieren und die Überlebenden werden sich an ein Höllenklimas anzupassen haben.
Vielleicht ist die traurigste Sache , dass die Erde genau so viel oder mehr verlieren wird als wir. Es wird nicht nur die Tier- und Pflanzenwelt und das ganze Ökosystem dem Aussterben entgegen gehen, aber in der menschlichen Zivilisation hat der Planet eine wertvolle Ressource. Wir sind nicht nur eine Krankheit, sondern wir sind durch unsere Intellligenz und Kommunikation das Nervensystem dieses Planeten. Durch uns hat sich Gaia selbst vom Universum aus gesehen und beginnt ihren Platz im Universum zu erkennen.
Wir sollten das Herz und der Verstand der Erde sein, nicht seine Krankheit. So laßt uns mutig sein und aufhören, allein an die menschlichen Bedürfnisse und Rechte zu denken, und sehen, dass wir der lebenden Erde geschadet und unseren Frieden mit Gaia zu machen haben. Wir müssen es tun, solange wir noch stark genug sind, um zu handeln und solange wir noch nicht ein gebrochener Pöbelhaufen sind, geführt von brutalen Kriegsherren. Am meisten sollten wir uns daran erinnern, dass wir ein Teil davon sind, und es ist in der Tat unser Heim.

Aus „The Independent“ 16.01.2006
Übersetzt von Bert Brandt


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Gaias Rache.

Warum die Erde sich wehrt

James Lovelock

Kurzeinschätzung zu James Lovelock „Gaias Rache“

Die Vielzahl nichtlinearer Effekte, die sich beim Weg in die Heißzeit ergeben, läßt offenbar James Lovelock in seinem Buch „Gaias Rache. Warum sich die Erde wehrt“ zweifeln, daß die jetzige Industriezivilisation Bestand haben könnte. Faktoren wie das „Global Dimming“, also Luftverschmutzung, die uns über das bereits angestaute Potential an Klimawandel hinweggetäuscht hat, oder die gigantischen Methaneisvorräte, die bei einer Erwärmung freigesetzt würden, verweisen darauf, es wird eine finale Geisterfahrt werden. Es zeigen sich immer mehr positive Rückkopplungen, die den Erwärmungstrend erheblich zusätzlich anfeuern. Durch die Übernutzung weiter Teile der Biosphäre durch den Menschen, ist ihre Fähigkeit zur Selbstregulation der Temperatur bereits sehr angeschlagen.
Zwar setzt auch Lovelock auf die erneuerbaren Energien um diese Entwicklung abzubremsen, aber vor seiner eigenen Haustür sollten möglichst keine Windräder stehen. Der Geothermie und Gezeitenkraftwerken u.ä. mißt er Bedeutung zu. Keinen Fettnapf läßt er aus, um die Kernenergie anzupreisen als Klimaalternative, obwohl bei der Förderung des Urans und der Produktion der Brennelemente und ihrer Entsorgung auch erhebliche CO2-Emissionen entstehen. Der vielfältige Mix an Krankheiten, der infolge der Tschernobylkatastrophe entstanden ist bei der Bevölkerung in den stark kontaminierten Gebieten, scheint ihm völlig entgangen zu sein. Die Opferzahlen sollte man darüber hinaus nicht bei der internationalen Atomenergiebehörde abfragen, dies jene Zahlen, die die WHO nutzt. Ich denke, hätte es 2006 im schwedischen AKW in Forsmark geknallt, wäre in wenigen Jahren das Ende der meisten AKWs besiegelt gewesen. Auch bei einzelnen anderen Argumentationen stößt es einem unbehaglich auf.
Leider beschäftigt er sich nur auf wenigen Seiten damit, wie die heutige Welt sich auf ihren Untergang vorbereiten müßte. Man hätte mehr Substanz vermuten können anhand seines Artikels im „Independent“ vom 16.1.2006. Den Gedanken, daß sich der hohe Norden, Sibirien etc. als Areal einer neuen Zivilisation erweisen könnten, den teile ich. Andererseits ist es wahrscheinlich, die klimatischen und ökologischen Einschläge fallen so aus, daß dies nur noch auf gehobenen Steinzeitniveau gelingt. Darüber hinaus ist zu befürchten, daß auch hier Übernutzung in sensibler Umgebung zum Kollaps führen könnte. Zu berücksichtigen ist, nur 0,5 bis maximal 2 Milliarden Menschen wären so zu retten. Die Mehrheit wird diesen selbstverschuldeten Klimacrash nicht überleben. Wichtig ist ihm, daß das Wissen der heutigen Kultur in langlebigen Büchern gesichert wird, alles was computergespeichert wurde, ist definitiv verloren. Dieselbe Überlegung findet man in meinem Band „Republik der Falschspieler“ in meinem Requiem zur Zivilisation. Einige Gedanken widmet er auch, wie die Überhitzung der Erde durch Stoffaustrag in der hohen Atmosphäre oder andere Maßnahmen verzögert werden könnte. Damit muß man sich intensiv beschäftigen, freilich so, daß unliebsame Nebenwirkungen gering bleiben.

Marko Ferst