Auch Maya-Könige träumten vom Wirtschaftswachstum

zu: G. Brandt, M. Wolf: Die Ökologie muss die zentrale Bedeutung bekommen, ND 18.8. & H. Schwenk: Ökologie nicht losgelöst sehen, ND 28.8

Wenn man sich geschichtliche Beispiele untergegangener Kulturen und Gesellschaften ansieht, dann fällt auf, die ökologischen Rahmenbedingungen spielten dabei eine zentrale Rolle. Selbst kreative und intelligente Gesellschaften sind zu Fall gekommen, weil sie zu spät erkannten, daß sie sich auf veränderte Umweltbedingungen einstellen mußten bzw. die Schäden wirtschaftlicher Tätigkeit ihre Existenz unterminierten. Auch unterbrochene Handelsbeziehungen und kriegerische Nachbarn konnten den Zusammenbruch beschleunigen. Das spricht für Herbert Schwenk, alle Problemlagen integral zu betrachten. Man muß sich darüber klar werden, es drohen neue totalitäre Umschwünge, globale Bürgerkriege und Unruhen, wenn die Grundlagen für die heutige Zivilisation wegbrechen. Dabei ist eine besonders offene Variable, wie stark der Klimaumsturz ausfallen wird. Gigantische Methanausdünstungen, die Fehlberechnungen im Kontext des Verdunkelungseffektes u.a. dürften jede Prognose schnell zum Abenteuer machen. Niemand vermag vorhersagen, ob wir überhaupt mit einem Zeitfenster rechnen können, um auf kärglichstem Niveau Lebensmöglichkeiten zu erhalten. 40% der globalen Nahrungsmittel werden heute bereits in ariden Gebieten angebaut, anthropogen bedingte Dürren mit Langzeitcharakter würden für Milliarden Menschen das Ende bedeuten.
Vor diesem Horizont sind Diskussionen um verschiedenartige Wachstumswünsche ein Randphänomen. Gewiß wäre es ein weniger schädliches Wachstum, dürfte kein PKW mit einem Verbrauch von mehr als zwei Litern Benzin auf 100 Km vom Band gehen. Allein der globale Massenfaktor der Blechmobile läßt fraglich erscheinen, dies als Umweltvorzug zu preisen. Könnte sich Deutschland weitgehend selbst mit ökologisch angebautem Gemüse und Obst versorgen, so wäre dieses zeitlich begrenzte Wachstum nicht zwingend zum Schaden. Der Umweltpolitiker Herbert Gruhl wies jedoch nicht zu Unrecht in seinen Werken immer wieder darauf hin, eine ständige Vermehrung von Wirtschaftsvolumen kann nicht Sinn der Produktion sein. Er rechnete vor, wollte man über 100 Jahre ein jährliches Wirtschaftswachstum von 3% erreichen, so würde sich die Volkswirtschaft um den Faktor 19 vergrößern, auch bei „qualitativ umwelthaltigem“. Gewiß gibt es Störfälle beim Wachsen. Wäre die Kernschmelze in Forsmark eingetreten, dann gäbe es Ostseefisch nur noch mit Cäsiumeinlage, für Landwirtschaft und Tourismusbranche im deutschen Nordosten hätten die Totenglöckchen geschellt.
Herbert Schwenk vermißt bei den Plattform-Autoren das Subjekt einer ökologischen Zeitenwende. Bleibt es beim jetzigen Stand, so wird es so ausgehen wie um 800 bei etlichen Mayagesellschaften. Eine Dürreperiode mit Spitzen löschte sie komplett aus. Bodenerosion, hohe Bevölkerungsdichte, Kriege und nicht zuletzt eine Oberschicht, die immer mehr vortrefflichere Luxusbauten errichtete, dürften den Untergang besiegelt haben. Diese und andere Aspekte übrigens brillant dargestellt in Jared Diamonds Buch „Kollaps“, in dem er analysiert warum Gesellschaften überlebten oder nicht - mit direktem Bezug auf die heutige Ökologiedebatte.
Aber wer sagt denn, daß es global 2025 keine ökologische Kultur- und Volksbewegung geben könnte, angesichts der unübersehbaren ökosozialen Krise, eine neue geistige Hegemonie, die den Herrschaftseliten das Fürchten lehren wird? Die antiplutokratische Wendung des Ganzen liegt in der Logik der Notwendigkeiten, ob man es sozialistisch nennen wird, sei dahingestellt. Nur regionale Versorgung verbunden mit einem kleinen Sektor ökoeffizienter Industrie könnte günstigstenfalls künftig eine Gesellschaft mit menschlichem Antlitz wahren. Dies enthebt niemanden nicht unmittelbar das Mögliche zu tun. Linkspartei wie Grüne sollten den vollständigen Umstieg auf eine erneuerbare Energieversorgung politisch beschleunigen, Produkte müssen mit immer niedrigerem Energie- und Ressourcenverbrauch hergestellt werden usw.

Marko Ferst, Gosen


 
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