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Kuba – Auf dem Weg zur Zukunftsfähigkeit?!
Edgar Göll
In Kuba existieren trotz aller internen und den immensen externen Problemen
(Blockade und kalter Krieg durch die USA) interessante politisch-gesellschaftliche
Steuerungs- und Regulierungsversuche und Einzelmaßnahmen im Bereich
von Umwelt und Nachhaltigkeit.
Erstaunliche Einschätzungen zu Nachhaltigkeit in Kuba
Nach Einschätzung des Berichts „The Ecological Footprint“ ist
Kuba sogar eine Art Vorbild für Zukunftsfähigkeit. Diese Studie
von 2005, deren Ergebnisse in der Studie von 2006 bestätigt worden
sind, ist vom Global Footprint Network (GFN) gemeinsam mit dem WWF und
der IUCN herausgegeben worden. Darin wurden Daten von 150 Nationen zusammengestellt.
Ein Schaubild setzt die Lebensqualität in den Ländern - von
der UN per “Human Development Index” (HDI) eingeschätzt
- ins Verhältnis zum jeweiligen “ökologischen Fußabdruck”,
der sich aus dem Pro-Kopf-Verbrauch an Ressourcen ergibt. Anschaulich
wird so, dass viele Länder weit über die Verhältnisse
leben, während in vielen anderen Mindeststandards unterschritten
werden. Eine nachhaltige Entwicklung ist laut Bericht dann gegeben, wenn
der HDI mindestens 0,8 beträgt, der ökologische Fußabdruck
maximal 1,8 Hektar. Als einziges Land hat diese Werte bislang Kuba erreicht
(0,81 HDI, 1,4 Hektar). 2001 benötigte die Menschheit den Untersuchungen
zufolge etwa 2,2 Hektar Land pro Kopf. Zur Verfügung stehen jedoch
nur 1,8 Hektar. Die Verursacher dieser Schieflage werden im GFN-Bericht
klar benannt: US-Amerikaner verbrauchen das sechsfache, EU-Bürger
das drei- bis vierfache der ihnen zukommenden Naturressourcen.
Aber wie kommt es dazu, dass Kuba in Sachen sozial-ökologischer
Politik bzw. nachhaltiger Entwicklung so relativ hervorragend dastehen
kann? Hierzu existieren förderliche Rahmenbedingungen wie z.B. klare
Aussagen in der Verfassung, Gesetze und Programme. Zahlreiche und sehr
vielfältige Politiken, Programme und Aktivitäten sind zur Reduzierung
des Ressourcenverbrauchs und der Umweltverschmutzung im Einsatz, sie
sollen nachhaltige Verhaltensweisen anregen und unökologische Prozesse
abstellen. Besonders positiv hervorzuheben sind die Kampagnen, wie z.B.
das im Dezember 2005 gestartete „Jahr der Revolution im Energiesektor
Kubas“, mit der einzelne Ansätze verknüpft und neue Impulse
gegeben werden und so zu spürbaren positiven Ergebnissen beitragen
sollen – inzwischen gibt es erste positive Ergebnisse im Bereich
Energieeinsparungen.
Für ein vergleichsweise hohes Niveau der sozialen Dimension ist
Kuba bereits weit über seine Grenzen hinaus berühmt und geschätzt.
Die hohe Priorität von Gesundheit und Bildung ist geradezu legendär,
wenngleich – wie auch bei der ökologischen Dimension – durch
sehr begrenzte Finanzressourcen beeinträchtigt. Besonders erwähnenswert
sind die direktdemokratischen Beteiligungsprozesse in Stadtteilen, die
Ansätze für LA-21-Prozesse in einigen Kommunen und die Umweltbildungsmaßnahmen
in den Schulen.
Die institutionellen Aspekte nachhaltiger Entwicklung sind in Kuba durch
diverse Gesetze und weitgehende Regelungen für alle wesentlichen
Felder und sogar Wirtschaftssektoren bzw. Politikfelder formuliert. Doch
wie in allen anderen Gesellschaften klafft eine Lücke zwischen den
Zielen und Vorgaben, und deren Umsetzung und Verwirklichung. Hierzu dürfte
auch die teilweise starre Bürokratie und Hierarchie des politischen
Systems in Kuba beitragen.
Eine Besonderheit Kubas dürfte wohl darin bestehen, dass dort auch
in kultureller Hinsicht gewisse Nachhaltigkeitsfaktoren unterstützt
und gestärkt werden, was durch die Regierung, die verschiedenen
Bildungseinrichtungen und durch die (staatlichen) Medien transportiert
und bewirkt wird. Hier spielt auch ein hohes Maß an Internationalismus
eine Rolle, der von der kubanischen Regierung in außerordentlich
hohem Maße und aufgrund diverser Interessen aber auch humaner Grundsätze
praktiziert wird. Hierfür gibt es zahlreiche Beispiele.
Die ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit kann als prinzipiell
positiv angesehen werden, wenn es um die Erfüllung prioritärer
Bedürfnisse der Bevölkerung geht. Doch da es vor allem und
insgesamt sowohl an ökonomischer i.e.S. als auch an ökologischer
Effizienz (z.B. Ressourceneffizienz) mangelt, ist dies wohl die insgesamt
schwächste Nachhaltigkeitsdimension in Kuba. Aufgrund einer immer
noch verbreiteten „Mangelsituation“ wird jedoch sehr intensiv
Recycling betrieben und eine Verschwendung wie in westlichen Gesellschaften
ist in Kuba bei weitem noch nicht erreicht. Und in technologischer Hinsicht
werden in bestimmten Feldern außerordentliche Anstrengungen unternommen,
um hier voranzukommen (insb. Informationstechnologien, Biotechnologien,
Pflanzenmedizin).
Auch in Sachen Modernisierung der Stromversorgung und Sparkampagnen wurde
einiges geändert. Bis vor kurzem war die Stromversorgung in Kuba
sehr zentral orientiert. Vor allem das Kraftwerk in Matanzas war Hauptversorger
in das Stromnetz. Nachdem es dort 2004 zu einem schwerwiegenden Defekt
gekommen war (einige der Kraftwerke sind/ waren bereits vor 1959 gebaut
worden), wurde im folgenden Zeitraum die Stromversorgung stark modernisiert
(durch Dieselgeneratoren) und dezentralisiert und damit auf eine breite
Basis gestellt und spürbar stabilisiert. Im Zuge der Ende 2005 ausgerufenen „energetischen
Revolution“ werden u.a. 262 Mio. US$ für die Modernisierung
und Instandsetzung des maroden Stromnetzes aufgewendet. In den vergangenen
Jahren – und intensiviert mit der „energetischen Revolution“ – kam
es zu umfassenden Energiesparkampagnen vor allem im Bereich der Elektrizität.
Flankiert durch entsprechende Beiträge in Medien und der Thematisierung
in den Betrieben wurden zahlreiche moderne energieeffiziente Geräte – sehr
häufig chinesischer Herstellung und zu günstigen Konditionen – verteilt
und dadurch alte „Stromfresser“ ersetzt. Dies gilt vor allem
für Kühlschränke, Fernsehgeräte, Ventilatoren und
Klimaanlagen US-amerikanischer oder sowjetischer Herkunft. So gut wie
flächendeckend erfolgte insbesondere der Eintausch moderner Energiesparlampen,
Kochplatten, Tauchsieder, Schnell- bzw. Dampfkochtöpfe, Reiskocher
etc. Zugleich wurden und werden die herkömmlichen Glühlampen
weitgehend gratis gegen Sparlampen, die 80 Prozent weniger Energie verbrauchen,
ausgewechselt: die bislang weit verbreiteten 60-Watt-Glühbirnen
werden durch Sparlampen der Klassen 7, 15 oder 20 Watt ausgetauscht.
Verursachungszusammenhänge und Bestim- mungsfaktoren
Die hier als insgesamt positiv eingeschätzte Umwelt- und Nachhaltigkeitssituation
Kubas kann nicht primär einem etwaigen gesellschaftlichen Konsens
bzw. weit verbreiteten Verhaltensmustern – also allgemein geteilter
Einsicht und einem flächendeckenden gesellschaftlichen „Nachhaltigkeitsbewusstsein“ oder
gar solcher Art verinnerlichte Verhaltensweisen der Kubanerinnen und
Kubaner – zugeschrieben werden. Solche Elemente sind zwar nicht
zuletzt wegen der nachhaltigkeitsbezogenen Öffentlichkeitsarbeit
in diesem Sinne durchaus vorhanden, allerdings allem Anschein nach weder
hinreichend verbreitet noch fest verankert. Zudem wäre eine solche
Verankerung in der gesamten Bevölkerung angesichts der nichtnachhaltigen
(Praxis-)Tradition und Umgebung (kapitalistische Ökonomien, neoliberal
dominierter Weltmarkt) auch höchst unwahrscheinlich und verwunderlich.
Der grundlegende strukturelle Faktor für die insgesamt vergleichsweise
niedrige Umweltbelastung in Kuba ist vor allem das Niveau der sozioökonomischen
Entwicklung, also der Stand (in quantitativer und qualitativer Hinsicht)
der Produktivkräfte und der daraus sich ergebenden Lebens- und Konsumweise.
Dieser Faktor weist vielfältige Facetten auf, wie z.B. den niedrigen
Motorisierungsgrad (motorisierter Individualverkehr), der niedrige Wohnraumverbrauch,
die geringe Verbreitung von Elektrogeräten, das bescheidene Industrialisierungsniveau,
der im Vergleich zum verschwenderischen Verbrauchsniveau der OECD-Staaten
geringe Ressourcenumsatz pro Kopf (von westlichen Kommentatoren gerne
und unreflektiert – also ideologisch – als „Mangelwirtschaft“ bezeichnet).
Diese Ausprägungen ziehen selbst unter Berücksichtigung der
noch niedrigen Ressourceneffizienz in Kuba eine insgesamt recht geringe
Umweltbelastung nach sich. Vom Standpunkt der einzelnen Bürgerinnen
und Bürger heißt dies allerdings, dass die Möglichkeiten
zum Kauf von Konsumgütern etc. im Vergleich mit „westlichen“ Standards
beschränkt sind. Doch das bedeutet auch, dass Kuba auf dem derzeitigen
Verbrauchsniveau keine Suffizienzrevolution benötigt, wie dies in
EU-Staaten, den USA und Japan der Fall ist – doch dort sind noch
Innovationsdefizite und systemische Restriktionen und politische Widerstände
(„Reformblockaden“) mächtiger als progressive Kräfte.
Kubanerinnen und Kubaner hingegen sind – wenngleich dies aus der „Feder“ eines
westlichen Akademikers obszön klingen mag – an Engpässe
und geschickte Ausnutzung des vorhandenen Wenigen gewöhnt („aus
Wenig mach Viel“), und es mag sich in gewisser Hinsicht eine „Einsicht
in die Notwendigkeit“ herausgebildet haben, immer wieder hergestellt
im Zuge der früher häufigen Stromabschaltungen. Hinzu kommt
in Kuba auch der positiv genutzte Einfluss der Kultur (Martí,
u.a.); dadurch ist ein Denkraum bzw. ein Weltbild mit durchaus ökologisch-nachhaltigen
Prioritäten entstanden, was wiederum eine gegenseitige Unterstützung
des Zusammenhangs zwischen sozialer und ökologischer Sensibilität
und Fürsorge ermöglicht.
Im Vergleich zu vielen anderen Ländern, ganz zu schweigen von den
meisten der unmittelbaren Nachbarländern, fällt der außergewöhnlich
hohe Grad der positiven Thematisierung von Umwelt und Nachhaltigkeit
in den (staatlichen) Medien und der Öffentlichkeitsarbeit in Kuba
auf – und vermutlich auch positiv ins Gewicht. Die historischen
Bezugnahmen auf José Martí, die Bildungsprogramme und Werbespots
im Fernsehen (hervorzuheben ist die „Universidad para todos“),
die Ansprachen von Führungspersönlichkeiten auf allen administrativen
Ebenen (z.B. die von Fidel Castro proklamierte „Schlacht der Ideen“),
programmatische Schriften und unzählige Artikel in den Printmedien
erzeugen gewissermaßen einen öffentlichen Referenzrahmen,
in welchem ethischen und moralischen Werten eine hohe Priorität
beigemessen wird, und dies auch immer wieder (mehr oder weniger zutreffend)
mit exemplarischer Politik und konkreten Maßnahmen untermauert
wird.
Die Importabhängigkeit Kubas in Bezug auf Lebensmittel und Energie
ist ein lange schon existierender, mit dem Kolonialismus gewachsener
Zustand. Sowohl unter der Herrschaft Spaniens als auch der USA, danach
in anderer Form durch die Einbindung in den RGW wurde eine eigenständige
und selbstbestimmte Entwicklung verunmöglicht bzw. erschwert. Die
Position Kubas im Rahmen der nach neoliberalen Maßgaben hierarchisierten
internationalen politischen Ökonomie ist – trotz einiger Spezifika
(hochqualifizierte Arbeitskräfte, einige wenige wichtige Rohstoffe) – sehr
peripher. Das daraus sich ergebende Bewusstsein von Abhängigkeit
dürfte mit dazu beitragen, dass Kuba kaum „über seine
Verhältnisse leben“ kann/will. Eine ähnlich grundlegende
Rolle dürfte die Insellage Kubas spielen, das damit tendenziell
einhergehende Bewusstsein der Grenzen der eigenen Insel (bzw. des Archipels),
das umgrenzt ist von Meer und im Falle Kubas von einem in mehreren Hinsichten „feindlichen“ Nachbarn.
Ein solches Bewusstsein von „Insellage“ könnte demnach
auch als ein weiterer ökologischer Positivfaktor wirken.
Ein weiterer struktureller Faktor dürfte mit der Größe
und Spezifik des Landes zu tun haben. Kuba ist hinsichtlich Fläche
und Einwohnerzahl eine kleine Nation (etwa wie Dänemark, Österreich,
Schweiz, Schweden, Finnland). Dadurch ist eine gewisse Überschaubarkeit
gegeben, eine traditionell recht hohe Dichte von Kommunikations-zusammenhängen,
von verwandtschaftlichen und nachbarschaftlichen Beziehungs-mustern,
und auch die Distanz zwischen Entscheidungsträgern/ Parteieliten
und BürgerInnen scheint um Einiges geringer zu sein als die in großen
Gesellschaften. Diese Konstellation dürfte auch zur Ausbildung eines
vergleichsweise hohen Grades von Wohlfahrtsstaatlichkeit und Solidarität
(wie z.B. in Schweden, Dänemark und Österreich) beigetragen
bzw. diese begünstigt haben. (Zu einer solchen Gestaltung bedarf
es allerdings nicht nur „objektiver“ geografischer, sozialstruktureller
Gegebenheiten, sondern auch kollektiv wirksamer sozialer und politischer
Akteure).
Kuba ist übermächtigen Naturgewalten unmittelbar ausgesetzt.
Hierfür sind vor allem die langdauernden Perioden der Wirbelstürme
zu nennen, die immer wieder vor Augen führen, dass Natur(-gewalten)
Ernst genommen werden müssen und dass ein möglichst intelligenter
Umgang damit gelernt werden sollte. Die aufgrund der Klimakatastrophe
zahlreicher und zerstörerischer werdenden Hurrikane richten alljährlich
enorme Schäden an und verursachen immense Kosten für Prävention
und (bislang sehr erfolgreichen) Schutz. Aufgrund der systematischen
Präventions- und Schulungsmaßnahmen ist dieses Betroffenheitsgefühl
in der kubanischen Bevölkerung sehr gegenwärtig.
Ein ähnlich wirkungsmächtiger Faktor kommt mit der Auflösung
des RGW/COMECON und des Zusammenbruchs der realsozialistischen Staaten
Osteuropas für Kuba hinzu. Mit dem Wegbrechen von 85% der Außenmärkte
und dem Einbrechen des Bruttoinlandsprodukts um über ein Drittel
binnen kürzester Zeit zu Beginn der 1990er Jahre ergab sich eine
tiefe ökonomische Krise („periodo especial“), die unter
anderem zu einem besonders sorgsamen Umgang mit allen Arten von spürbar
begrenzten Ressourcen zwang. Vor dem Hintergrund der sich daraus ergebenden
Notlage wurden dann – durch die innovativen, pragmatischen Entscheidungsträger
in Kuba – erstaunlich schnell alternative, tendenziell ökologische
und nachhaltige Lösungswege gesucht und zum Teil sehr vehement verfolgt
(z.B. Energieeffizienz).
Neben diesen eher „objektiven“ Faktoren sind hier noch dezidiert
gestaltende Faktoren zu skizzieren.
Das kubanische Regierungssystem spielt die zentrale und bestimmende Rolle
für den gesellschaftlichen Wandel. Die Staatsführung hat einen
selektiven Zugang zum neoliberal-kapitalistischen Weltmarkt gewählt
statt sich vollständig zu öffnen, auszuliefern und abhängig
zu machen. Dadurch sind die kapitalistischen Zwänge (Ausbeutung,
Vernichtung von Subsistenzwirtschaft, Erzeugung bzw. Verstärkung
sozialer Ungleichheiten, unbegrenzte Konsumanreize etc.) im Vergleich
zu den meisten anderen Staaten nur vermittelt wirksam und daher nur punktuell
zu berücksichtigen. Daher vermag Kuba seine eigenen sozialistischen
Werte und Gesetzesgrundlagen verfolgen und die Einflussmöglichkeiten
von Konzernen sind hingegen begrenzt, die aus der Kapitalverwertung folgenden
Zwänge sind noch recht schwach. Kubas Regierung trotzte bislang
erfolgreich beispielsweise den Zwängen der Auslandsverschuldung
und muss daher keine Auflagen á la „Washington Consense“ befolgen.
Flankiert wurde diese pragmatische und zugleich ideologisch untermauerte
Rettungs- und Vorwärtsbewegung in Kuba einerseits durch die notgedrungen
erforderlich gewordene Distanzierung von den zusammengebrochenen „realsozialistischen“ Gesellschaften
Osteuropas, und deren nicht als positiv und anstrebenswert wahrgenommenen „Verwestlichung“,
und andererseits durch Beobachtung der (Fehl-)Entwicklungen in einigen
lateinamerikanischen Nachbarstaaten (z.B. Nicaragua, Kolumbien, Argentinien)
oder auch der problematischen gesellschaftlichen Trends in der VR China.
In diesem Zusammenhang sei auch für Kuba auf die maßgebliche
Rolle von Entscheidungsträgern und Führungspersonal, also auch
den „subjektiven Faktor“ hinge-wiesen. Einen deutlich positiven
und direkt wahrnehmbaren und nachvollziehbaren Erfolgsfaktor für
Nachhaltigkeitspolitik stellt die Positionierung hochmotivierter, hochqualifizierter
und anerkannter autoritativer Persönlichkeiten („leadership“ im
besten Sinne des Wortes) in nachhaltigkeitsrelevanten Themenbereichen,
Rollen und Ämtern dar.
Kuba besitzt außerdem eine lange Tradition für ökologisches
bzw. nachhaltiges Denken, auf das wiederum die Führungskräfte
immer wieder Bezug nehmen. Die reflektierte Haltung wird von den Führungspersönlichkeiten
Kubas auch international immer wieder proklamiert, und kommt als deutliche
Kritik gegen die westlich-kapitalistischen Gesellschaften zum Ausdruck:
Dabei werden auch ansonsten im Kontext von Nachhaltigkeit selten genannte
Aspekte, wie z.B. Aufrüstung und Kriegsführung, offen thematisiert
und eine prononcierte alternative Haltung zum Ausdruck gebracht.
Fazit
Kuba kann demnach in Sachen Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik in vielen
Hinsichten als sehr positiv und als „auf dem richtigen Weg befindlich“ eingeschätzt
werden. Dort werden tatsächlich recht erstaunliche Maßnahmen
durchgeführt und Ergebnisse erzielt, es werden sehr progressive
und beachtenswerte Aktivitäten auf den Weg gebracht und umgesetzt.
Der Verbrauch von Rohstoffen, der Ausstoß von Emissionen, das Aufkommen
von Müll etc. sind noch vergleichsweise gering. Zugleich sind ökologische
und soziale Standards relativ weit entwickelt, speziell was Bildung und
Gesundheitsversorgung anlangt. Rechtliche Vorgaben, vielfältige
Programme und Projekte sind teilweise vorbildlich. Und die in der Regierung
und zahlreichen staatlichen Institutionen vorherrschenden Vorstellungen über
die Entwicklungsrichtung Kubas sind sehr kompatibel mit dem Leitbild
und den Prinzipien der Nachhaltigen Entwicklung.
Allerdings ist auch in Kuba – wie in anderen Staaten, inklusive
Deutschland oder der EU insgesamt – noch immer eine deutliche Kluft
zwischen den ambitionierten proklamierten Zielen einerseits, und deren
Realisierung andererseits festzustellen. Mit hinein spielt im Falle Kubas
allem Anschein nach die mit nur geringer Vehemenz erfolgende Ahndung
von Verstößen z.B. gegen Umweltschutzregelungen. Die Diskrepanz
zwischen den offiziellen Proklamationen und gesetzlichen Vorgaben, und
der praktischen Umsetzung im Bereich Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik
im Falle Kubas kann durch verschiedene Faktoren und deren Zusammenwirken
erklärt werden.
Eine wesentliche Ursache sind wohl die sehr begrenzten finanziellen Mittel,
die der kubanischen Regierung und den staatlichen Organen zur Verfügung
stehen. Hier sei nochmals auf die von den USA ausgehende Isolationspolitik
gegen Kuba verwiesen: Kuba hat dadurch keine Chance, durch den Pariser
Club oder den Londoner Club Kredite zu erhalten; Kredite sind daher für
Kuba meist nur zu stark erhöhten Zinsforderungen möglich gewesen.
(Durch intensivierte Handelsbeziehungen Kubas zur VR China und Venezuela
scheint sich dies zu verbessern). Daneben spielen aber auch teilweise
bürokratische Strukturen, überforderte Beamte, unzulängliches
Bewusstsein der Relevanz von Nachhaltigkeit bei Entscheidungsträgern
und insgesamt eine gewisse Art von Zurückhaltung/Passivität
eine Rolle dafür, dass in Kuba die Potentiale für eine nachhaltige
Entwicklung noch nicht hinreichend genutzt worden sind.
Hinzu kommen womöglich auch soziokulturelle und psychologische Aspekte
wie zum Beispiel das, was man eine lateinamerikanisch-karibische Mentalität
des entspannten Laisser-faire nennen könnte. Im Falle Kubas – in
Zeiten der „periodo especial“ noch spürbarer – zeigt
sich diese entspannte und letztlich humane Haltung in Form einer starken
Toleranz gegenüber den mit den Alltagsnöten ringenden MitbürgerInnen
und deren immer wieder praktizierten mehr oder weniger großen Übertretungen
von Umweltschutzbestimmungen.
Verwiesen sei hier auf eine weitere wesentliche Ursache für die
begrenzte Nachhaltigkeit: die unzureichende Effizienz in weiten Sektoren
der kubanischen Industrie, der Landwirtschaft und des privaten Konsums.
Das macht sich auch im Individualverkehr deutlich, also z.B. bei den
zahlreichen alten (US-)Automobilen mit ihrem immensen Benzinverbrauch
und dem exorbitanten Schadstoffausstoß. Weitere Probleme ergeben
sich – wie oben gezeigt worden ist – durch die zwiespältigen
Einflüsse des Massentourismus (Verschwendungsniveaus wie in Westeuropa;
ungleiche Zugänge von Kubanerinnen und Kubanern zu Devisen und Produkten).
Wenn es darum geht, dass die in der Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik
beteiligten Akteure genau und kritisch reflektieren, worauf die erwähnte
Diskrepanz zwischen „Sollen und Sein“ zurückzuführen
ist, tun sich auch die jeweils Verantwortlichen etwas schwer, nicht vorschnell
bzw. ausschließlich auf externe Faktoren zu verweisen. In diesem
Zusammenhang mangelt es in Kuba noch, wie so häufig auch in anderen
Staaten, an angemessenen Optimierungsmechanismen wie aufwandsarmen und
effektiven Monitoringverfahren, um die konkreten Defizite sukzessive
festzustellen, zu überwinden und die Diskrepanzen zu reduzieren.
Perspektiven
Wie für alle anderen heutigen Gesellschaftssysteme stellt sich
auch für Kuba die Frage, ob denn die bisherigen Aktivitäten
in Richtung Nachhaltigkeit hinreichend sind. Denn selbst die in dieser
Hinsicht bislang ansatzweise erfolgreiche kubanische Politik weist eine
nur begrenzte Wirksamkeit auf und wird durch die oben skizzierten aktuellen
Herausforderungen und gegenläufigen Tendenzen absehbar noch stärker
als bisher beeinträchtigt werden. Aufklärende und mobilisierende
Kampagnen als Charakteristik der kubanischen politischen Kultur stellen
nur einen Strategietypus dar. Aber daneben existieren noch weitere Typen
wie Ordnungspolitik, Ge- und Verbote, Preismecha-nismen (Internalisierung
externalisierter Kosten), Steuerpolitik etc. Damit ist wieder einmal – wie
im Kontext der Sozialstaatsdebatten – die grundlegende Frage nach
den Anreizstrukturen für steuernde Politik bzw. sich selbst steuernde
Gesellschaften gestellt, also die Frage, welche der unterschiedlichen
Ansätze besonders erfolgreich sein könnte oder besser, welches
Mix zum Beispiel für Kuba festzustellen ist und wie dieses optimiert
werden könnte. Im Falle Kubas sticht hervor, dass klare staatliche
Aktivitäten wirkungsvoll waren und sind, vielleicht weil sie ein
passendes Pendant gegenüber der Macht von starken Wirtschaftsbranchen
und Konzernen (also: dem Prinzip „Kapital“) darstellen. Vermutlich
ist aufgrund der Dringlichkeit – nicht nur für Kuba – zuvörderst
ein noch weiter zu demokratisierender Staat in der Lage, den derzeitigen
nicht-nachhaltigen Trends effektvoller als per Marktmechanismus zukunftsweisende
Aktivitäten und die Prinzipien der Nachhaltigkeit zu verwirklichen
und die komplette Zerstörung menschlicher Existenzgrundlagen aufzuhalten.
Eine ausführliche Darstellung dieser Thematik zu Kuba findet sich
in der aktuellen Publikation:
Göll, Edgar: Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik in Kuba: Überblick
und kritische Würdigung eines Weges zur Zukunftsfähigkeit.
IZT-WerkstattBericht Nr. 83
Berlin 2006, ISBN 978-3-929173-83-3, 20 Euro.
Bestelladresse: e.thiede@izt.de
Kostenloser Download unter: http://www.izt.de/publikationen/werkstattberichte/wb83_-_umweltpolitik_kuba.html
www.umweltdebatte.de
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