Programmatische Umweltaussagen bei der PDS mangelhaft

Neuer Programmentwurf brachte keine Verbesserungen

 

Marko Ferst

 

Zunächst sei festgehalten: Wenn es ein Interesse daran gibt eine profilierte Umweltpassage im PDS-Programm zu etablieren, so gibt es gewiß Wege dorthin, so ist Kooperation möglich und erwünscht mit dem Ziel qualitativ bessere Aussagen, als wir sie bisher vorliegen haben, zu fixieren. Die Bereitschaft der Ökologen dazu ist vorhanden. Freilich müssen wir in der Ökologischen Plattform aufpassen, daß wir unsere Aussagen dazu auf höchstes qualitatives Niveau bringen. Wir haben da auch eine Verantwortung wahrzunehmen und können es uns nicht leisten, gelegentlich das Rad zwei mal erfinden zu wollen. Auch halte ich nichts davon Kritik am Programm auf Sparvarianten herunterzufahren, damit man uns etwas netter findet. Das schadet der PDS am Ende mehr als es nutzt. Offensichtlich war die Einsicht bei den Programmschreibern sich zu öffnen, bevor der neue Programmentwurf herauskommt, nicht vorhanden. Das ist bedauerlich.
Die FDP schafft es als einzige im Bundestag vertretene Partei, die PDS in der Kürze der Umweltpassage in ihrem Programm noch zu toppen. Ungefähr zwei Absätze weniger. Qualitativ sind die Aussagen jedoch nicht übermäßig schlechter als die der PDS. Man beachte, wir reden hier über Programmtexte, nicht über praktische Politik. Wie groß die Unterschiede zwischen Programmatik und realem Handeln sein können, läßt sich gerade in Berlin bei der PDS gut beobachten.
2002 verabschiedeten die Grünen ihr neues Grundsatzprogramm. Gegen den dortigen Abschnitt "Aufbruch ins ökologische Zeitalter" ist der neue PDS-Umweltabschnitt in keiner Weise konkurrenzfähig. Das Umweltkapitel der Grünen ist qualitativ um mehrere Klassen besser. Während der PDS-Entwurf gut eine Seite zu Umweltthemen enthält, so kommen bei den Grünen mindestens 25 Seiten zusammen. Mehr heißt nicht immer besser. Weniger kann aber sehr wohl mangelhaft bedeuten. Selbst die Sozialdemokraten schreiben zur "Ö-kologischen Erneuerung" immer noch mehr als doppelt soviel wie die PDS und sind in den qualitativen Aussagen über weite Strecken besser. Freilich zehren sie noch vom orthodoxen Fortschrittsbegriff, der überwunden gehört. Nun ist es nicht neu in der PDS, Umweltpolitik als fünftes Rad zu behandeln: Angesichts dessen, daß die PDS im Vergleich der Parteien auf diesem Feld sehr schlecht abschneidet, muß dieser Teil des Entwurfs völlig überarbeitet werden. Ohne eine solche grundlegende Korrektur wird es von ökologischer Seite schwer eine Zustimmung für das Programm geben.
Bedauerlich ist, selbst gegenüber dem alten PDS-Entwurf gibt es einzelne Verschlechterungen, neben problematischen Aussagen, die zum Glück entfernt sind. So ist zu empfehlen, zumindest den Absatz, in dem die Klimagefahren und das Artensterben kurz benannt werden, wieder einzufügen. Selbst die SPD leistet sich solche Aussagen. Zudem sprechen die Sozialdemokraten davon, Ökologie sei die Basis jeglicher verantwortlichen Wirtschaftstätigkeit. Das ist durchaus weitergehender als eine Einheit von sozialer, ökologischer, ökonomischer Nachhaltigkeit zu proklamieren. Zu begreifen wäre, die heutigen sozialen und wirtschaftlichen Aktivitäten des Menschen in seinen Gesellschaften steuern auf zivilisatorisches Desaster zu. Sie sind der Versuch, mit Marktgesetzen Naturgesetze auszuhebeln. Wirtschaftsgewinne und soziale Ansprüche sind hochgradig abhängige Größen von der biosphärischen Stabilität. Eine beginnende Klimakatastrophe via Hochwasser und Megaorkane etc. wird keine Rücksichten nehmen auf unsere wirtschaftlichen und sozialen Fort-schrittsvorhaben. Von dieser Träumerei wird nichts übrig bleiben! Dort eine Einheit schmieden zu wollen ist Alberei. Gleichwohl dürfte ein sozialer Rahmenplan bei der öko-logischen Systemtransformation höchst geboten sein. Nur ist die Ökologie die Dominante.
Im Entwurf der PDS steht, man will erneuerbare Energie fördern. Toll! Wir schreiben drei Worte, die Grünen fast vier Seiten dazu, wie sie sich das Schlüsselprojekt "Solarzeitalter" vorstellen. Einen ökologischen Umbau des Steuersystems und einen grundlegenden Abbau von ökologisch kontraproduktiven Subventionen kennen wir nicht. Die Grünen wollen bis 2010 einen Anteil des Ökolandbaues von mehr als 20 %. Können wir keine Aussage machen dazu. Die Grünen sagen, sie wollen bis zur Mitte des Jahrhunderts die Ressourcen-produktivität um den Faktor 10 erhöhen. Konkrete Aussagen bei uns - Fehlanzeige. Ein kurzer Satz zum Tierschutz und Naturschutz. Die Grünen legen umfassend dar, was sie sich darunter vorstellen. Ob wir den rasanten Flächenverbrauch stoppen wollen, wird der Leser bei uns nie erfahren. Dauert der Atomausstieg mit der PDS länger als bei der SPD, man bekommt keine Auskunft. Aufgeklärt wird man darüber, wie Umweltschutz mit an-deren Politikfeldern zusammenhängt, aber bis auf die Reduktion an Kohlendioxid von 35% zwischen 1990 und 2010 bekommt man häufig Plattheiten serviert. So geht das nicht. Ein paar konstruktive Aussagen zur ökologischen Weltsituation in zwei, drei Absätzen wenigs-tens würde man sich auch bei der Einleitung des Programms wünschen. Im 1993er Programm hat man das immerhin noch geschafft, auch wenn die Stelle verbesserungsfähig wäre.
Fast vollständig aus PDS-Materialen konzipiert (etwa Aussagen aus dem geltenden Programm und dem Entwurf von 2001 sowie Materialen der Ökologischen Plattform) hatte ich schon Ende 2001 einen Alternativentwurf für die Umweltpassage geschrieben, der die verschiedenen Mißstände zumindest in erheblichen Maße beseitigen sollte, aber für erneuerungsresistente PDSler immer noch akzeptabel sein sollte. Das alte grüne Programm war mit dieser Alternativfassung ohne Probleme zu übertrumpfen. Mit meinen etwas mehr als drei Seiten ist das neue grüne Programm leider nicht mehr zu schlagen. Das muß ich einfach einräumen. Allerdings ist schon ein Vorzug, daß ich darin versuchte, Kernaussagen zu konzentrieren. Das führt dazu, daß trotz Kürze viele Punkte enthalten sind, mit denen man dem neuen grünen Programm Paroli bieten kann. Mit der ein oder anderen Verschärfung und Präzisierung der Aussagen ließe sich die Konkurrenzfähigkeit gegenüber den Grünen noch verbessern. Sie qualitativ einzuholen ist bei der jetzigen Programmkonzeption der PDS nicht möglich. Da müßte man gründlicher ändern. Ein solches Aufholen macht natürlich nur Sinn, wenn der Parteivorstand das will. Im vergangenen Jahr war ich zum Beispiel zu einer Miniarbeitsgruppe zur Umweltpassage geladen. Nur Innovationen konnte man dort absolut nicht einbringen. Die Fassung, die dabei raus kam, war schlimmer als das, was wir jetzt hier vorliegen haben im Entwurf.
Grundsätzlich problematisch bei allen Parteiprogrammen ist, daß sie nicht zugeben, daß die ökologischen Demarkationslinien längst überrannt sind. Grenzen des Wachstums kennt man nicht, selbst wenn es die Grünen vortäuschen wollen. Die PDS predigt grünen Konsumismus, wir sollen kaufen, was das Zeug hält, damit die Binnenkonjunktur auch wirk-lich nicht schlapp macht. Die Ökologische Plattform lehnt diesen Wachstumskult ab. Dies ist eine Strategie, unsere sozialen Ansprüche zu Lasten künftiger Generationen zu lösen.
Auch fehlt mir im Programmentwurf der Hinweis, daß wir uns in einem Suchprozeß befinden, wie man zu einer nichtkapitalistischen Kulturverfassung kommen könnte. Trotz mancher Andeutung ist mir das zu wenig präzise. Umweltakzente kann man ohne Zweifel hier und jetzt umsetzen, eine intelligente Ordnung zur ökologischen Selbstbegrenzung ist mit einer marktreligiösen Plutokratie, die auf Wachstumsdynamik zielt, nicht möglich. Sicher ist das sozialistische Elysium sehr viel weniger wahrscheinlich, als daß der Kapitalis-mus noch einmal ein totalitäres Finale liefert. An der ökologischen Herausforderung scheitert er, wird sein brüchiges humanitäres Gewand erneut ablegen. Jedoch muß man zusam-mendenken, wie der globale soziale Degradationsprozeß abläuft, wo in Folge von schweren durch systemintegrierte Raffgier verursachte Finanzkrisen sowie IWF- und Weltbankoktroy, Schuldenfallen usw. ganze Volkswirtschaften wegbrechen. Hinzu kommt die Bewältigung von Konflikten in Bürgerkriegsform und die Weltherrschaftsallüren der USA. Und am Schluß naht der Absturz in ein dunkles Jahrtausend, wenn wir die globalen Klimaabläufe revolutioniert haben. Ich sehe in unserem Programm nicht, wie man hier totalitäre Entwicklungen abwehren will, die aus diesem Zusammenspiel mit hoher Wahrscheinlichkeit entstehen werden. Wer solche weltgeschichtlichen Prozesse umlenken will, braucht viel durchgreifendere Reformvorstellungen, als sie die PDS entwickelt. In dem Band "Wege zur ökologischen Zeitenwende" werden solche Fragestellungen von Rudolf Bahro und mir thematisiert. Keiner soll sagen können, es würde nicht vorgedacht.
Noch mal abschließend zum Programm: Ich denke, die PDS wäre gut beraten, sich mehr reale demokratische Teilhabe ihrer Mitglieder am Programm zu leisten und zu riskieren, daß es einen Parteitag später beschlossen wird. Überdies ist es das kürzeste aller Parteiprogramme und daraus resultieren über den Bereich der Ökologie hinaus Mängel. Das Grünenprogramm ist nicht nur bei der Ökologie, sondern auch bei frauenpolitischen bzw. feministischen Aussagen dem PDS-Entwurf haushoch überlegen. Besser ist auch der Bereich Wissen, Bildung, Kinder. Ich bin nicht sicher, ob im PDS-Entwurf die Sozialpolitik wirklich besser formuliert ist. Einbrechen tun die Grünen faktisch beim Thema Abrüstung, NATO, Kriegseinsätze. Nicht daß sie dazu auch Richtiges sagen. Da ist mir das PDS-Programm aber lieber, wenn die Aussagen dort auch ausbaufähig sind. Nicht so überzeugend sind auch die Aussagen zur ökologisch-sozialen Marktwirtschaft, da ist die Sozialkritik im PDS-Programm weitreichender.

tarantel Nr.20, April 2003, Bulletin Geraer-Dialog Nr.2, März 2003