Flugzeuge sorgen für immer mehr Treibhausgase

Klimagefahr stellt Ausbau des Flugverkehrs wie in Schönefeld in Frage

 

Marko Ferst

 

Vergeblich sucht man in den offiziellen 49 Aktenordnern zum Planfeststellungsverfahren für das neue Luftdrehkreuz Schönefeld nach einem einzigen Satz, der die Klimagefahren durch Treibhausgase beim Flugverkehr thematisiert. Statt bisher 2 Millionen Passagiere sollen künftig 30 Millionen in Schönefeld abgefertigt werden, dazu jede Menge Frachtverkehr, hunderte Hubschrauber sollen täglich abheben, so der Wunsch der Planer und Regierenden. Auch in Frankfurt am Main und anderswo wird in Deutschland der Flugverkehr mit neuen Landebahnen ausgebaut. Dieser Trend soll keinen Einfluß haben auf unsere Klimaverpflichtungen, die wir mit dem Kyotoprotokoll immerhin noch eingehen wollen? Jeder weiß, die dort vorgesehenen Schritte können in keiner Weise ausreichen.
Der Anteil des Verkehrssektors an den klimaschädigenden Kohlendioxid-Emissionen wird jährlich größer. Sank der CO2-Ausstoss von 1990-1999 um 15%, so stieg der Ausstoß im Verkehrssektor um 10%, den größten Zuwachs verzeichnete davon der Flugverkehr mit sage und schreibe 75%. Mitte der 90er Jahre verursachte der Flugverkehr in Deutschland bereits 17 Millionen Tonnen Kohlendioxid jährlich. Die Studie "Zukunftsfähiges Deutschland", herausgegeben vom BUND und Misereor, weißt darauf hin, daß in den Industriestaaten in den nächsten Jahrzehnten eine Reduktion des Kohlendioxidausstoßes um 90 % erforderlich ist, um eventuell noch eine Klimakatastrophe verhindern zu können.
Schon die alte Bundesregierung stellte im Anschluß an die Rio-Umwelt-Konferenz 1992 eine Reduktion der Treibhausgase hierzulande von 25% bis 2005 in Aussicht - mit einer Ausweitung des Flugverkehrs um den Faktor Zehn oder mehr in Schönefeld paßt dies allerdings überhaupt nicht zusammen. Die Preisgabe der Gesellschaft an diese Spirale der Destruktivität mag sich im Falle des Flughafengeschäfts kurzfristig rechnen, im Zweifelsfall per Flughafengebühr. Verantworten kann das niemand mehr, ganz abgesehen von der Korruption und dem Filz, der in der Brandenburger und Berliner Politik um den Flughafen herum entstanden ist, dessen Folgen der Steuerzahler begleichen darf.
Das Problem reduziert sich jedoch nicht nur auf das Kohlendioxid, wenngleich es besonders relevant ist, weil es für etwa 100 Jahre aktiv wirkt. Die aus den Kondensstreifen entstehenden Cirruswolken tragen außerdem zum Treibhauseffekt bei. Zur Zeit emittieren die Düsenflugzeuge weltweit etwa 30 Millionen Tonnen Wasserdampf in die untere Stratosphäre. Je Liter Kerosin entstehen rund 1.200 Liter Wasserdampf. Diese Wassermoleküle sind in diesem Bereich unmittelbar zehn mal treibhauswirksamer als Kohlendioxid. Zur Verstärkung der Wärmefalle auf der Erde tragen auch die ausgestoßenen Stickoxide bei. Sie befördern die Ozonbildung in der oberen Troposphäre. Ozon in dieser Höhe fungiert als starkes Treibhausgas. Da die Schadstoffe der Flugzeuge nicht in Bodennähe, sondern in großen Höhen eingetragen werden, haben sie dort eine viel größere Wirkung. Sie sind dort schwerer abbaubar. Nach derzeitigem Wissen schätzt man, sie haben mindestens die dreifache Wirkung wie am Boden.
Mit dem Ausbau des Flugverkehr setzt man ganz bewußt Prioritäten gegen eine regionale Wirtschaftsentwicklung zugunsten global geknüpfter Wirtschaftszusammenhänge. Diese multimobile Daseinsweise zerstört die ökologische Stabilität. Brauchen wir wirklich Zwiebeln aus Neuseeland oder Steaks aus Argentinien und dergleichen mehr? Weltweit wird durch die Freistellung von Steuern auf Treibstoff der globale Flug- und Schiffsverkehr mit ungefähr 300 Mrd. Dollar gefördert, so Hermann Scheer. Bei Tickets im internationalen Flugverkehr braucht zudem keine Mehrwertsteuer bezahlt werden, Ökosteuern wird man in der Finanzoase Flugverkehr ebenfalls nicht vorfinden. Würde aber Flugbenzin ähnlich belastet, wie der gewöhnliche Autoverkehr, könnten wir wohl die Flughäfen Tegel und Tempelhof schließen, ohne Schönefeld auszubauen und Frankfurt am Main zu erweitern.
So kann man einstweilen nur hoffen, die 133.000 Einwendungen gegen den Flughafen Schönefeld bringen die dortige Gigantomanie zu Fall, alle 90 Sekunden soll ein Flieger über die Orte hinwegfegen. Vielleicht vergißt die PDS in Berlin nicht, so sie in der neuen Regierung vertreten sein sollte, daß man mit etwas Kreativität die Großflughafenpläne auf Eis legen könnte. Die Bündnisgrünen scheinen schon nur noch im Umland gegen den Großflughafen zu sein. Ein im Bundestag novellierter Lärmschutz könnte das Aus für Schönefeld bedeuten wegen der hohen Besiedlungsdichte im unmittelbaren Umfeld. Im Koalitionsvertrag der jetzigen Regierung dachte man sogar darüber nach, die Steuerbefreiungen für Flugbenzin zu beseitigen... Also man kann nur hoffen, daß einer dieser oder weitere Faktoren, das Luftdrehkreuz ins Reich der Luftschlösser verbannen zum Nutzen für das Klima.
Mancher Parteigänger, dann eiligst von der eigenen Mannschaft zurückgepfiffen, dachte auch schon laut darüber nach, ob wirklich jedes Jahr eine Flugreise in den Urlaub notwenig ist und das limitiert werden sollte. Immerhin dürfte der Flugverkehr als verzichtbarer Luxus gelten. Um das Maßhalten führt wohl kein Weg herum. Machen die Chinesen und andere Völker unsere Reisefreudigkeit in der Luft nach, haben wir ein Problem. Zwar könnte durch eine Beschränkung der Reisegeschwindigkeit und der Flughöhe der Schadstoffausstoß reduziert werden, aber noch bestimmt die Logik der Ökonomie, wo und wie geflogen wird. Mancher Kurzflug wäre durch eine Bahnfahrt leicht zu ersetzen.
Auch Flugzeuge mit Wasserstofftechnik werden uns in Zukunft nicht weiterhelfen, denn das Verbrennungsprodukt des Wasserstoffs ist Wasserdampf - ein starkes Treibhausgas. So bleiben uns noch solarelektrische Luftschiffe. Die sind mit ungefähr 250 Stundenkilometern nicht ganz so schnell, würden aber nur einen Bruchteil der Emissionen von Flugzeugen freisetzen. Über den Wolken scheint immer die Sonne, nur in der Nacht würde zusätzlicher Treibstoff benötigt. Mit diesen Luftschiffen könnte man auch sehr viel transportieren, sie wären weitaus billiger zu bauen als Flugzeuge für den Großraumtransport. Warum sollte dies nicht eine Zukunftsoption für die nächsten Jahrzehnte sein?

u.a. Rabe Ralf, 10/2001

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