Lieder für eine grüne Generation

Dota Kehr und Band über Fluten, Funken und Liebe


Von Marko Ferst


Erst im vergangenen Jahr fügten Dota Kehr und Band Gedichte der jüdischen Dichterin Mascha Kaléko in musikalisches Gewand, unterstützt von Konstantin Wecker, Hannes Wader, Uta Köbernick, Max Prosa und weiteren, etliches gesungen im Duett. Acht Wochen hielt sich die CD in den Offiziellen Deutschen Albumcharts. In der Bonusversion sind sogar 20 Titel zu hören. Pandemiebedingt fielen Konzerte monatelang aus, so aber entstand erneut ein Studioalbum unter dem Titel „Wir rufen dich Galaktika“. Dieser geht zurück auf die Puppenspielserie „Hallo Spencer“, wo die Bewohner die Lila Fee vom fernen Stern Andromeda anrufen, wenn sie ein Problem nicht lösen können. In Dotas Lied wird dieser säkulare Engel angerufen, um das drohende Klimadestaster abzuwenden. Moderner Komfort ohne Reue scheint nicht im Angebot. Mit stillem Spott singt sie, am Ende ruft selbst der Bundestag fraktionsübergreifend nach Galaktika. Hilflos wie alle, wissen die Abgeordneten nicht, wie die grüne Revolution gehen soll, viele kleben am Ewiggestrigen, wo kluger Verzicht keine Option ist. Auch in anderen Liedern verbindet die Künstlerin, das scheinbar Leichte mit Intelligenz, Witz, Selbstironie und politischen Widerhaken. Mitunter geht einem der stille oder subversive Kode mancher Zeile erst bei mehrfachem Nachhören auf.
Jan Rohrbach und Dota Kehr bringen ihre Gitarren ins Spiel, Janis Görlich Schlagzeugsound und elektronische Samples. Am Bass ist als neues Bandmitglied Alex Binder herauszuhören. Analog-Synthesizer und Keyboards sind Patrick Reisings nuancenreicher Part. Dota Kehr als Liedermacherin auszuweisen ist unstrittig, eng eingewoben sind jedoch mit popmusikalischen Elemente, aber auch Einflüsse völlig anderer Stilrichtungen. Sanfte Liebeslieder wie „Besser als nichts“ wechseln sich ab mit härter instrumentierten Tonlagen, wo sie sich verfolgt sieht von Algorithmen, die ihr unterschieben, was ihr zu gefallen hat. Feministische Partikel haften der „Bademeisterin“ an. Man darf Zweifel haben, ob sich die Photosynthese so leicht erlernen lässt.
Wirklich exzellent, musikalisch wie textlich ist ihr Song „Keine Zeit“ für die Fridays-for-Future-Jugend, alles passt auf den Punkt. Wir Mäuse graben uns ein, bis der Mähdrescher uns überrollt, eine Staubwüste hinterlässt. Es ist geradezu eine Kampfansage an die Faulen und Ignoranten, diejenigen, die für tagespolitisches Kleingeld und Profit, die ökologische Epoche immer noch ausbremsen wollen. Surreal wirkt das Lied „Die Flut“, die zunächst die Häuser und Zimmer erklimmt, Hochwasser eben. Doch die Ich-Person lebt unter Wasser weiter, begegnet Raubfischen und sieht, wie Seesterne Straßen und Plätze besiedeln. Zwei Grad mehr global, bedeutet eben etliche Generationen später Meeresstrand mitten durch Berlin. Unter die Haut geht das Lied „Funken schlagen“. Wie etliche Texte bewegt sich dieser poetisch auf unterschiedlichen Ebenen, lebt von Andeutungen, unterschwelligen Assoziationen. Man denkt an Lebensphilosophie, Beziehung und Lagerfeuer, ahnt aber, dass „wir sehen zu, wie alles verbrennt, wir sehen es zusammen“ eine ganz andere Aussage intendiert, zumal wenn man die gelungene musikalische Untermalung sich vergegenwärtigt.
Dies ist bereits das 16. Album seit 2003, die Doppel-CD enthält 23 Lieder. Man bekommt diese Bonus-Version offenbar nur über www.jpc.de oder die Band-Webseite https://kleingeldprinzessin.de, auf der auch weitere Extras und Konzerttermine zu finden sind.

Dota: Wir rufen dich Galaktika, 2 CDs

erschienen: nd 18.8.2021

Dota Kehr: Keine Zeit
https://www.youtube.com/watch?v=VxOSGe8HG8o

 

www.umweltdebatte.de