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Will die CDU/CSU
neue AKW bauen?
Linkspartei.PDS wird sich Atomrenaissance widersetzen
Von Marko Ferst
Käme es nach dem 18. September zu einer schwarz-gelben Koalition,
ist eine Renaissance der Atomkraft auf mittelfristige Sicht nicht mehr
auszuschließen. Im CDU/CSU-Wahlprogramm wird die Atomkraft sogar
zum Klimaschutzfaktor Nummer Eins gekürt. Daß die zahlreichen
Produktionsschritte von der Uranförderung bis zum fertigen Brennelement
im AKW erhebliche Mengen an Kohlendioxidemission bedeuten, blendet man
dabei aus. Siemens und Frameatome würden in Deutschland bis 2020
gerne 5-6 neue Atomkraftwerke bauen. Nur die hohen Investiti-onskosten
für die AKWs könnten eine konservative Regierung davon abhalten,
diesen Wünschen nachzukommen. Edmund Stoiber rät in Reden auch
dazu die Option für den Bau neuer Atomkraftwerke offen zu halten
und will die Atomforschung aufstocken. Im Programm verdeutlicht man:
Der Export deutscher Atomtechnologie steht ganz oben auf der politischen
Agenda.
Die rot-grüne Bundesregierung leitete den Atomausstieg nicht wirklich
ein. Nach wie vor werden rund 95% der Menge an Atomstrom produziert wie
unter der Kohlregierung. Die Kapazitäten der Urananreicherungsanlage
in Gronau wurden verdreifacht. Künftig können so 35 Atomkraftwerke
mit Brennstoff versorgt werden. In Deutschland laufen derzeit noch 17
AKWs. Zwei Uraltmeiler wurden abgeschaltet. Mit Hermesbürgschaften
unterstützte Rot-Grün in China den Bau der beiden russischen
Reaktorblöcke nach Tschernobylart in Lianyungang. Der nächste
Reaktor in Deutschland würde selbst nach dem rot-grünen Ausstiegsplan
erst 2009 vom Netz gehen. Dazu wird es sicher nicht mehr kommen, selbst
bei Rot-Schwarz nicht.
Die Linkspartei verdeutlicht in ihrem Wahlprogramm, sie will den kurzfristigen
Atomausstieg und nicht warten, bis das technische Ende der Reaktoren
erreicht ist. Neue Reaktoren in Osteuropa, subventioniert mit EU-Geldern,
wie in Rumänien geschehen, will die Linkspartei verhindern. Beendet
werden soll der Export von AKW-Technik. Eine Wiederaufarbeitung atomarer
Brennstoffe wird abgelehnt, ebenso die damit verbundenen Atommülltransporte.
Die Einlagerung von hochradioaktivem Müll in Gorleben wäre
russisches Roulette. Die CDU/CSU will das massiv vorantreiben. Teils
fehlen Deckschichten, die abdichten könnten. Salzhaltige Grundwasserströme
führen bis an die Oberfläche. Es zeichnet sich ab, es gibt
keine sichere Möglichkeit die Stoffe über 10-20 Millionen Jahre
risikofrei zu lagern. Einige hochradioaktive Nuklide bzw. deren Zerfallsprodukte
sind extrem dauerhaft und ähnlich gefährlich wie Plutonium.
Wir brauchen länderübergreifend eine Diskussion über die
hochradioaktiven Abfälle atomarer Energieerzeugung. Ist es wirklich
verantwortbar global mehr als 30 Lager in verschiedenen Ländern
für hochradioaktiven Müll einzurichten, deren Abschlußdichte
auf Dauer nicht garantiert werden kann? Oder ist eine Konzentration auf
wenige Lager besser, wo trotz möglicher radioaktiver Austritte sich
der Schaden in Grenzen hält, weil der Raum nicht besiedelbar ist?
Man muß sich klar machen, hochradioaktive Stoffe durchdringen selbst
die beste Verpackung irgendwann. Sie zerstören die atomare Gitterstruktur.
Es dauert nur 5000 bis 10.000 Jahre bis die heißen Stoffe im unterirdischen
Endlager sich freigearbeitet haben. Dann können Sie in Gorleben
ungehemmt mit dem Salz reagieren, bei entsprechender Temperaturentwicklung
auch explosiv. Damit hat sich die Partei von Frau Merkel offensichtlich
noch nicht beschäftigt und Rot-Grün wußte schon sehr
genau, warum man sich auf die Suche nach einem neuen Endlager begeben
hat.
Völlig sicher soll die Atomenergie sein, so erklären die Förderer
der Atomkraft und besonders die CDU/CSU und FDP noch immer. Tatsächlich
kam es immer wieder zu schweren Atomunfällen, die sich mit den Namen
Tschernobyl, Harrisburg, Sellafield, Tscheljabinsk und weiteren verbinden.
Für Deutschland ist die Gefahr eines schweren Atomunfalls keineswegs
gebannt Die letzten Betriebsjahre werden die gefährlichsten sein,
weil der Verschleiß an vielen Stellen zunimmt. Terror und Sabotageakte
können auch durch noch so viele Sicherheitsvorkehrungen nicht in
jedem Fall verhindert werden. AKWs einzunebeln hält Kamikazeflieger
nicht wirklich ab. Rot-Grün hielt eine Studie, die die Verletzbarkeit
der Anlagen zeigt, nicht ohne Grund unter Verschluß.
Bei einer deutschen Kernschmelze würden anders wie in Tschernobyl,
die radioaktiven Nuklide entsprechend der Windrichtung besonders konzentriert
im Umkreis der umliegenden 400 Kilometer niedergehen und weniger über
die Staatsgrenzen hinweg verteilt. Das hängt mit der anderen Bau-
und Betriebsart der deutschen AKWs zusammen. Bei einem Unfall gäbe
es weniger Hitzeentwicklung. Diese hatte die Nuklide in der Ukraine in
höhere Luftschichten befördert und über viele Länder
verteilt. Fünf bis zehn Bundesländer müßten hierzulande
zur Sperrzone erklärt werden, wollte man die gesundheitlichen Frevel
an der Bevölkerung nicht wiederholen wie sie im Fall Tschernobyl
geschehen sind.
Bei einigen Störfällen und Pannen in Atomanlagen wies die PDS
in den vergangenen Jahren wiederholt darauf hin, der Stand von Wissenschaft,
Technik und auch Fachkunde wird in der Be-triebspraxis der AKW nicht
erreicht. Sie erinnerte daran, das bereits die gegebenen gesetzlichen
Regelungen ausreichen, um die Atomkraftwerke über den Weg des Widerrufs
von Betriebsge-nehmigungen umgehend stillzulegen. Bedenkliche Defizite
in der Anlagensicherheit, technisch nicht realisierbarer Schutz gegen
Terrorakte, aber auch Verstöße gegen die Sicherheit können
allemal als Gründe zur Abschaltung ausreichen. Völlig unzureichend
ist auch die finanzielle Haftpflicht der AKW im Schadenfall. Allein
eine ordnungsgemäße Versicherung der Anlagen, würde den
Atomstrom zur teuersten Form der Energieerzeugung machen.
Wieder verschärft werden müßte die unter Rot-Grün
abgeschwächte Strahlenschutzverordnung. Auch schwach kontaminierte
Abrissstoffe haben beim Straßenbau oder recycelt in Alltagsgegenständen
nichts zu suchen. Schwangere sind jetzt ungeschützter durch die
Verordnung in Einrichtungen mit radioaktiven Quellen. Die Aufweichung
von Schutzmaßstäben, damit die Atomindustrie ihre Abrisstoffe
preisgünstig entsorgen kann, führt zu hunderten zusätzlichen
Todesfällen, die vermieden werden könnten, so Sebastian Pflugbeil.
Um einen schnelleren Ausstieg aus der Atomenergie zu erwirken, reichen
allein parlamentarische Initiativen nicht aus. Die Proteste der AKW-Bewegung,
auch ziviler Ungehorsam, sind unver-zichtbar, um die künftige Regierung
unter Druck zu setzen. Jedoch muß bei Protestaktionen immer gewährleistet
sein, daß Leben und Gesundheit nicht leichtfertig gefährdet
werden. Ein zunehmendes Problem ist allerdings auch: Polizei und staatliche
Sicherheitsdienste gefährden ganz speziell bei Einsätzen im
Wendland die Grundrechte. Das Wendland gleicht zu Castor-Transportzeiten
regelmäßig einer Besatzungszone. Die Staatsmacht bewacht grünbewehrt
jede Straßenecke. Das Demonstrationsrecht ist in weiten Bereichen
völlig ausgehebelt. Was würde den Atomausstieg in vielen Ländern
ganz besonders beschleunigen? Darauf gibt es eine unheimliche aber klare
Antwort: Wenn es in einem der etwas mehr als 400 Atomreaktoren, die weltweit
be-trieben werden, zu einem weiteren Großunfall analog wie in Tschernobyl
kommt. Angesichts der massiven Krankheitsfolgen für die Bevölkerung,
kann man nur hoffen, daß dies niemals eintritt, jedoch jeder Tag
mit Atomkraft, macht diese Option wahrscheinlicher.
unser Autor arbeitet in der Ökologischen Plattform bei der PDS
mit
zur
Hauptseite www.umweltdebatte.de
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